Das Vermächtnis der Schwerter
er dies auch wirklich wollte. Jetzt, da er endlich herausgefunden hatte, wer sein Vater war, wünschte er sich sehnlichst seine Unwissenheit von früher zurück. War er wirklich bereit für noch weitergehende Erkenntnisse? Wollte er tatsächlich mehr über das Volk der Fardjani erfahren, dem er angeblich angehörte? Was, wenn diese Eröffnungen sich als ähnlich niederschmetternd erweisen würden wie die Wahrheit über seine Abstammung? Vielleicht würden ihn andere noch lebende Fardjani gar nicht in ihrer Mitte aufnehmen wollen, denn schließlich war er ein Nachkomme ihres Erzfeindes Hador Ikarion, der wiederum von dem Götterverräter Caras abstammte. Es lag durchaus im Bereich des Möglichen, dass beispielsweise der Citarim ihn als jüngsten Spross Hadors gleich bei seiner Ankunft in Ketten legen ließ.
Außerdem regte sich immer noch Widerstand in Arton, dem vorgegebenen Weg der Götter ohne Aufbegehren zu folgen. Warum glaubten diese fernen Himmelsherrscher eigentlich, dass sie ihn hier unten wie eine Murmel so lange herumstoßen konnten, bis er schließlich die von ihnen gewünschte Richtung einschlug? Arton war ein Kämpfer, ein freier, unbeugsamer Mann. Er wollte selbst über sein Leben entscheiden. Sollten sich die Götter doch einen anderen Laufburschen für ihre Pläne suchen!
In diesem Moment erfasste ihn eine sanfte Welle aus vielen verschiedenen Bildern und Sinneseindrücken, die seine sorgenvollen Gedanken mit sich nahm und seine Aufmerksamkeit auf etwas völlig anderes lenkte. Er hörte auf einmal ganz deutlich das tausendfache Zwitschern von Vögeln, erblickte vor seinem inneren Auge Bäume, Blätter, Gras, seine Finger ertasteten knorrige Rinde, er roch Harz, Blumen und Erde. Ein Gefühl der Zufriedenheit durchströmte seinen Geist und er empfand auf einmal eine tiefe Verbundenheit zu allen lebendigen Dingen, was in vollkommenem Gegensatz zu den zerstörerischen Gefühlen stand, die gerade eben noch sein Denken dominiert hatten.
Alton wusste, dass ein Wurzelbalg neben ihm saß, noch ehe er den Kopf drehte und ihn erblickte. Das Wesen, welches nicht weiter als eine Armlänge entfernt saß, musterte ihn aus seinen kreisrunden dunklen Augen. Es hatte sich unbemerkt genähert, seine Gedanken jedoch konnte oder wollte es nicht vor dem Krieger verbergen. Mildes Bedauern und tiefes Mitgefühl schien von dem kindlich anmutenden Waldbewohner auszugehen, so als hätte es Artons finstere Gedanken gelesen und wollte ihm nun Trost spenden. Der Krieger hatte in den letzten Tagen gar nicht mehr an die kleinen Waldwesen gedacht, so sehr war er von seinen Gesprächen mit Nataol und Rais Entführung in Atem gehalten worden. Dabei hatte er die Wurzelbälger sogar noch darum gebeten, sich nicht zu weit in den Wald zurückzuziehen, damit er sie bei Bedarf finden konnte. Doch nun hatten sie ihn gefunden.
»Was machst du denn hier?«, sprach Arton die kleine Kreatur an, bemüht um einen freundlichen Tonfall. Gleich darauf tadelte er sich selbst für diese Dummheit. Er wusste doch bereits von Nataol und aus eigener Erfahrung, dass die Wurzelbälger über Gedankenbilder kommunizierten, was also nützte es da, wenn er sie mit menschlicher Sprache empfing. Aber wie ließ sich ein Gruß als Bild ausdrücken, das für diese Wesen auch eine Bedeutung hatte?
Arton überlegte eine Weile, während ihn das Waldwesen weiterhin geduldig beobachtete. Schließlich versuchte er, einfach das Verschwinden und Wiederauftauchen des Wurzelbalgs vor seinem geistigen Auge ablaufen zu lassen. Er musste sich konzentrieren, um solch ein konkretes geistiges Bild entstehen zu lassen. Seine bisherigen Ausflüge in die Gedankenwelt der Themuraia hatten eher einem hastigen Erkundungsgang geglichen, während dessen er zwar vieles wahrgenommen, aber nur weniges begriffen hatte. Eine bewusste Auswahl an Bildern aus dem vorbeischießenden Gedankenstrom zu treffen, war ihm als vollkommen unmöglich erschienen. Das Schwert Tausendsturm erlaubte ihm zwar, seinen eigenen Willen so vehement zum Ausdruck zu bringen, dass die Wurzelbälger sich ihm fügen mussten; dies war jedoch nicht wirklich förderlich, wenn er verstehen wollte, was die fremden Wesen dachten, ohne dass sein Willen sie beeinflusste. Themuron verstärkte allerdings auch seine Wahrnehmung, wenn er beabsichtigte, ihren Gedanken nur zu lauschen oder vielmehr ihre geistigen Bilder zu betrachten. Deshalb legte er nun die Hand um den Griff der dunklen Klinge, versuchte dabei aber behutsamer
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