Das Vermächtnis der Schwerter
Wille erfüllen konnte, da war sich Arton inzwischen sicher. Die eigentliche Frage lautete eher, ob er bereit war, die Folgen zu akzeptieren, die ein bewusstes Abwenden vom Pfad der göttlichen Vorsehung mit sich brachte. Was würde geschehen, wenn er Themuron den Citpriestern überließe, um sich dann an irgendeinem Ort zu verkriechen, wo er sein schreckliches Erbe vergessen könnte?
Die Antwort war ebenso hart wie einfach: Er wäre zur Bedeutungslosigkeit verdammt. Er könnte niemals selbst Geschichte schreiben, sein Name wäre nach seinem Tod für immer vergessen. Sein Vater lebte dagegen in den Gedanken der Themuraia fort, und auch wenn er von den meisten anderen Bewohnern der Ostlande gehasst wurde, hatte er sich dennoch in ihrer Erinnerung verewigt. War es nicht besser, dunkle Spuren in der Geschichte zu hinterlassen als gar keine? Wo auch immer ihn das Gängelband der Götter hinführen würde, alles wies daraufhin, dass ihn ein bedeutendes Schicksal erwartete. Abseits vom göttlichen Plan gab es dagegen nichts außer einem langweiligen, sinnentleerten Leben um seiner selbst willen. Und er wollte auf gar keinen Fall abseits stehen. Ihn verlangte es danach, Teil eines Ganzen zu werden, seinen Platz im Leben zu finden und eine wichtige Aufgabe zu erfüllen, die ihm Zufriedenheit schenken würde. Er wollte mehr über sein Volk, die Fardjani, herausfinden und lernen, auf welche Weise er seine Geisteskräfte einsetzen musste, um wie sein Vater ganze Heerscharen von Themuraia anführen zu können. Denn auch die kleinen Waldgnome hatten ihre Bestimmung, die untrennbar mit Artons Geschick verknüpft war, so viel hatte er nach der heutigen Begegnung mit dem Wurzelbalg begriffen. Zwar blieb ihm der Zweck hinter all diesen Begebenheiten noch weitgehend verborgen, aber um die Absichten der Götter in ihrer Gesamtheit zu erfassen, musste er zunächst die großen Zusammenhänge begreifen. Nataol hatte ihm bereits einen Teil dieses komplexen Geflechts aus Ursache und Wirkung offen gelegt, aber der Krieger wollte mehr wissen. Die Drachen aus den Erzählungen des Erleuchteten existierten, das wusste Arton nun. Denn welches andere Wesen hätte solch bedrohliche Schatten im Gedächtnis der Themuraia hinterlassen können? Aber woher waren sie gekommen und was war mit ihnen geschehen? Lebte etwa noch eine dieser Schreckenskreaturen? Und welche Rolle spielten die Priester des Sonnengottes bei all diesen Wirrungen? Mit Sicherheit folgten auch sie dem göttlichen Plan, aber ob sie nun bei den kommenden Ereignissen Artons Verbündete oder Gegner sein würden, ließ sich nur auf eine einzige Art herausfinden: Arton musste nach Tilet gehen und dem Citarim gegenübertreten. Nur dieser konnte, als höchster sterblicher Diener der Götter, Arton den Willen der Weltenschöpfer offenbaren. Der Krieger musste bereit sein, das eigene Schicksal, wie auch immer es aussah, anzunehmen, nur dann würde er zu seiner wahren Größe finden. Und wenn es tatsächlich seine Bestimmung war, seinem Vater als Fluch der Ostlande nachzufolgen, dann sollte es so sein.
Arton erhob sich. Er hatte sich entschieden und dies brachte ihm eine wohltuende Ruhe. In diesem Moment fiel ihm plötzlich wieder eine Redewendung ein, die er einmal, als er noch klein war, von dem Anführer einer Söldnertruppe in Seewaith gehört hatte: »Besser ein dämonischer Herrscher als ein himmlischer Diener.« Der Mann hatte wahr gesprochen, erkannte Arton jetzt. Es wurde Zeit, die Insel zu verlassen.
Nataol war gerade dabei, seine wenigen Habseligkeiten in eine Truhe zu verpacken, als ihn Arton in den Priestergemächern aufsuchte. Der junge Schwertkämpfer wirkte gefasst, keine Spur von der gestrigen Zerrüttung ließ sich mehr auf seinem Gesicht ausmachen.
»Arton!«, begrüßte ihn der Erleuchtete erfreut. »Ich wollte eben jemanden nach Euch schicken.«
»Was tut Ihr da?«, fragte der junge Erenor erstaunt.
»Ich packe die wichtigsten Dinge zusammen«, erwiderte Nataol mit einem flüchtigen Blick auf die offen stehende Reisetruhe. »Gerade hatte ich Besuch von Eurem Gefährten Barat und dem früheren Kommandanten der Festung. Garlan hat offenbar die Seiten gewechselt und steht nun in den Diensten der neuen Machthaber. Ein rechtes Fähnlein im Wind, wie mir scheint.« Nataol runzelte missbilligend die Stirn. »Um sich bei seinen neuen Herren beliebt zu machen, verriet er ihnen, dass die Citpriesterschaft auf Andobras über einen großen Tempelschatz verfügt, der seiner
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