Das Vermächtnis der Schwerter
Richtung.«
SEGEL VORAUS
N un gut, Shyrali, ich hoffe, du hast ein paar Antworten für mich.« Abaks Blick lag misstrauisch auf der attraktiven, jungen Frau, die ihm gegenüber in seiner Kajüte an Bord des Seglers »Tamir« saß. »Woher hast du gewusst, dass mein Schiff in Richtung Ho’Toba unterwegs ist?«
»Das wusste ich nicht«, gab die rothaarige Schönheit namens Shyrali mit gespielter Scheu zurück. »Als mich in Seewaith die Nachricht von einem bevorstehenden Angriff Citheons erreichte, bestieg ich sofort das erstbeste Boot, um Euch meine gesammelten Erkenntnisse so schnell wie möglich zuzutragen. Wie Euch natürlich bekannt sein dürfte, führt die Schiffsroute von Seewaith nach Tilet südlich vor der Küste Ho’Nebs vorbei und bei dieser Passage entdeckte ich Euren Flottenverband, der wegen seiner Größe auch schwerlich zu übersehen war. Ich erkannte das königliche Flaggschiff und bin davon ausgegangen, dass Ihr wie immer, wenn die Tamir in See sticht, mit dem König an Bord seid. Daher habe ich den Kapitän meines Schiffes gebeten, mich bei Euch abzusetzen.«
Abak überlegte kurz und nickte dann. »König Jorig ist zwar nicht anwesend, da er seine Truppen auf dem Landweg nach Fendland führt, aber mich hast du ja jetzt gefunden. Was also sind das für wichtige Informationen, die dich zwingen, deine Spitzeldienste in Seewaith vorzeitig und ohne Befehl abzubrechen?«
Shyrali schob in einer gespielten Geste der Unschuld die gefalteten Hände zwischen die Knie, was sie wie ein argloses Mädchen wirken ließ, obwohl sie inzwischen bestimmt schon achtzehn Jahre alt sein musste. Abak beglückwünschte sich selbst, dieses gerissene und mit einem seltenen schauspielerischen Talent gesegnete ehemalige Straßenmädchen angeworben zu haben. Hätte er sie nicht damals in Tilet praktisch aus der Gosse aufgelesen und zu einem seiner nützlichsten Spione geformt, wäre sie vermutlich inzwischen verhungert oder einem noch unangenehmeren Schicksal zum Opfer gefallen. Stattdessen saß sie nun vor ihm, anmutig wie ein Mädchen aus adeligem Hause, und versuchte, ihn mit ihrem Liebreiz um den Finger zu wickeln. Den Beweis, dass ihre Nachricht ebenso fesselnd war wie ihr Äußeres, musste sie ihm allerdings erst noch erbringen.
»Ich hätte natürlich niemals durch meine Abreise meine Tarnung gefährdet, wenn es nicht wirklich wichtige Neuigkeiten aus Seewaith gäbe«, versicherte Shyrali mit einem treuherzigen Augenaufschlag.
»Hör auf, mich so anzuklimpern mit deinen großen Mandelaugen«, meinte Abak streng. »Ich bin schon lange über das Alter hinaus, in dem ich mich noch von einer hübschen jungen Frau habe bezirzen lassen. Außerdem solltest du nicht vergessen, dass ich für deine Ausbildung bezahlt habe. Jede einzelne deiner kleinen Verführungstechniken verdankst du somit mir. Also spar dir den Kleinmädchencharme und komm zum Punkt.«
»Natürlich«, antwortete Shyrali, ohne dabei im Geringsten aus der Fassung zu geraten. Schließlich war sie eine Meisterin ihres Fachs und wusste vermutlich sehr genau, dass die reizvolle Mischung aus Verführung und Unschuld, die sie so vollkommen zu verkörpern verstand, auch den königlichen Berater nicht gänzlich kalt ließ. Dennoch bemühte sich Abak, ihre Fertigkeiten eher von dem distanzierten Standpunkt eines Lehrmeisters zu betrachten, was ihm jedoch nicht immer gelang.
»Leider«, fuhr sie mit leicht gesenktem Kopf fort, »hat Arden Erenor die Goldene Grotte in letzter Zeit nur noch selten besucht. Bislang konnte ich ihn ja einfach aushorchen, während ich mich bei seinen ausschweifenden Feiern dort in meiner Funktion als Gesellschafterin um ihn gekümmert habe. Da er aber nicht mehr zu mir kam, musste ich mir notgedrungen eine andere Informationsquelle suchen. Es ergab sich schließlich, dass ich tagsüber, wenn in der Grotte nicht viel los war, als Gehilfin bei einem Schneidermeister arbeiten konnte, bei dem eine der Schülerinnen der Kriegerschule Ecorim regelmäßig ihre Kleider anfertigen lässt.« Shyrali lächelte verschmitzt. »Ihr Name ist Daia Ehrenfels und sie ist ganz verrückt nach der neusten Mode. Sie kommt alle drei oder vier Tage in dem Geschäft vorbei und fast jedes Mal kauft sie etwas. Meine Aufgabe ist es dann, ihre Maße zu nehmen oder mit ihr eine Auswahl an Stoffen durchzugehen oder den Schnitt zu besprechen, jedenfalls ist immer reichlich Zeit für ein kleines Schwätzchen zwischendurch. Wir haben uns also über dies und das
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