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Das Vermächtnis der Schwerter

Titel: Das Vermächtnis der Schwerter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Rothballer
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schmerzen zu lassen. Schützend legte er die Hand vors Gesicht und blinzelte dann vorsichtig zwischen seinen Fingern hindurch. Er erkannte nichts außer einer Silhouette im Türrahmen, umgeben vom grellen Licht des Tages.
    »Präge dir die Helligkeit unseres Herrn Cit gut ein«, ließ der geisterhafte Sprecher das erste Mal seine körperliche Stimme vernehmen, »es wird für eine lange Zeit das letzte Licht gewesen sein, das du erblickst.«
    Die Tür schloss sich wieder und die Dunkelheit kehrte in den Raum zurück. Es erschien Arton beinahe so, als verliere er seine körperliche Hülle in diesem unendlichen Schwarz. Nur noch seine Gedanken hatten Bestand. Nun war er also allein. Allein mit seinen Gedanken – das würde mit Sicherheit keine angenehme Zeit werden.

 
KÖNIGSWACHT
     
    I n die Istaebene hatte der Sommer Einzug gehalten. Noch waren es nur zaghafte Anzeichen, die dieses dem Cit geweihte zweite Viertel des Jahres ankündigten, denn der lange Winter hatte den Beginn der anderen Jahreszeiten verzögert. Jetzt aber reckte sich das allgegenwärtige Gras sattgrün der Sonne entgegen und überragte inzwischen alle übrigen Gewächse der Steppe. Die Nächte wurden milder, der gefürchtete Morast, der an Wagenrädern und Stiefeln haftete wie Teer, war verschwunden und nur auf den höheren Hügelkuppen oder in schattigen Senken kündeten noch letzte Schneefelder von der grimmen Herrschaft des Winters.
    Mehr als sechzig Tage hatten sie benötigt, um bis an die Grenzen Fendlands vorzustoßen. Dabei war es noch nicht einmal zu größeren Schwierigkeiten gekommen. Jorig Techel hatte gehofft, den Weg von Tilet durch Süd- und Nordantheon sowie die Istaebene schneller bewältigen zu können, aber das fast zwölftausend Mann starke Heer war durch den langen Fußmarsch stark mitgenommen. Ein noch schnelleres Vorandrängen hätte die Infanterieeinheiten zu sehr zermürbt, was ihre Zuverlässigkeit im Kampf beeinträchtigen konnte. Zwar schien die Armee Fendlands seinen Kundschaftern zufolge zahlenmäßig weit unterlegen zu sein, trotzdem war es keine gute Idee, mit körperlich geschwächten Truppen zu Felde zu ziehen. Gegen den angeblichen Sohn eines von allen verehrten Helden anzutreten, verlangte seinen Männern schon genug Disziplin ab.
    Etwas mehr als fünftausend Soldaten hatte sein Herausforderer Arden Erenor um sich geschart. Freilich handelte es sich bei einem Großteil des so genannten fendländischen Heeres um schlecht ausgebildete Truppen, die aus der Not heraus in kürzester Zeit ausgehoben worden waren. Dennoch hatte es Arden irgendwie fertig gebracht, deutlich mehr Bewaffnete bei Melessens Finger zu versammeln, als der König für möglich gehalten hatte. Nach der mit seinem Berater Abak entwickelten Kriegsstrategie sollte die Flotte Ho’Nebs zusammen mit zwei Dutzend königlichen Schiffen bereits seit etwa dreißig Tagen alle Häfen der Halbinsel blockieren und durch gezielte Angriffe die meisten Truppen für die Verteidigung der Städte binden. Der König hatte gehofft, dass dadurch die schmale Landbrücke Melessens Finger, die die Istaebene mit Fendland verband, weitgehend unbewacht sein würde und sein Heer ohne nennenswerten Widerstand die rebellische kleine Halbinsel besetzen könnte.
    Nun stand jedoch fest, dass sich eine Schlacht nicht würde vermeiden lassen. Eine wirklich befriedigende Erklärung für diese unerwartet starke Verteidigung von Fendlands Grenze vermochte Jorig Techel im Moment nicht zu finden, denn im Grunde gab es dafür nur zwei Deutungsmöglichkeiten und beide schienen ihm gleichermaßen unwahrscheinlich. Entweder die Fendländer hatten ihre Städte aufgrund der ständigen Attacken der citheonischen Flotte bereits aufgegeben und sahen sich angesichts der über Land heranrückenden Truppen nun gezwungen, hier ihr letztes Gefecht zu liefern, oder Techels Flotte hatte sich aus irgendeinem unerklärlichen Grund verspätet. Aber wie dem auch sein mochte, bei dem Plan für die Eroberung Fendlands war von Anfang an eine Demütigung der Rebellen durch einen raschen und überwältigenden Sieg Citheons vorgesehen gewesen. Es ging Techel nicht allein darum, einen Feind des Reiches niederzuringen, sondern dieser Krieg musste ein Signal für alle anderen aufständischen Kräfte sein, dass der militärischen Macht des Königs niemand in den Ostlanden auch nur annähernd gewachsen war. Deshalb hatte Jorig Techel eine solche Masse an Land- und Seestreitkräften mobilisiert, von denen bereits die

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