Das Vermächtnis der Schwerter
»Vielleicht waren deine Späße früher einfach besser.«
»Das kann schon sein«, erwiderte Targ bemüht fröhlich, »aber ich hatte in letzter Zeit auch wenig Gelegenheit zum Üben. Ich bekomme dich ja kaum noch zu Gesicht.«
Arden nickte betont schwermütig. »Das ist leider wahr. Meine Pflichten als Herrscher nehmen mich eben sehr in Anspruch. Mir wäre es anders auch lieber, aber ich kann nichts daran ändern.«
»Ich verstehe das ja«, versicherte Targ, »aber wenn wir nicht mehr miteinander sprechen, dann führt das eben zu Missverständnissen. Wir sind deine Freunde, Arden, das darfst du niemals infrage stellen. Wir haben so manches zusammen durchgestanden, und dass wir wirklich einmal im Gemach des Königs von Citheon stehen werden, wie jetzt gerade, war noch bis vor Kurzem kaum mehr als ein vager Traum. Dennoch müssen wir noch zu Ende bringen, was wir begonnen haben. Jorig Techel ist am Leben und nach wie vor eine Bedrohung für deinen Thron. Den Verräter Megas konnten wir noch nicht einmal ausfindig machen. Deshalb brauchen wir einander immer noch, wir müssen weiterhin zusammenhalten, um unser gemeinsames Ziel zu erreichen: Rache für den Überfall auf die Kriegerschule Ecorim. Denn das haben wir uns geschworen, das sind wir Estol, Derbil, Arton und dem ehrwürdigen Meister Maralon schuldig.«
»Oh, wo sich Megas aufhält, weiß ich bereits«, entgegnete Arden in absichtlich beiläufigem Tonfall.
Targ starrte ihn ungläubig an. »Was soll das heißen?«
»Das heißt, dass ich weiß, wo er ist«, erklärte Arden, als habe er es mit einem begriffsstutzigen Kind zu tun. »Er befindet sich gar nicht weit von hier im Hafen von Tilet auf einem Schiff.«
»Worauf warten wir dann noch?«, sagte Deran und wandte sich zum Gehen.
»Augenblick noch«, rief Targ seinem Bruder zu, dann richtete er seine Augen wieder fragend auf Arden. »Warum hast du uns das nicht gleich gesagt? Du weißt doch, dass wir nach ihm suchen, und du selbst solltest eigentlich auch noch eine Rechnung mit diesem verräterischen Bastard zu begleichen haben.«
Arden lächelte geheimnisvoll. »Wie ich schon sagte, der alte Arden existiert nicht mehr, was mir einst wichtig erschien, ist nun hinfällig. Ich muss neue Prioritäten setzen und dazu gehört an erster Stelle die Sicherung meines Reiches. So erfuhr ich von Malun, dass Megas, den ihr nur als verschlossenen Schwertadepten in der Kriegerschule Ecorim kennen gelernt habt, in Wahrheit der Sohn des Inselherrn Turael Arud’Adakin ist, falls euch der Name etwas sagt. Inzwischen hat er seinen Vater auf dem Thron abgelöst und beherrscht nun selbst eine der größten Inseln von Jovena. Zudem ist er ein Feind Jorig Techels. Damals in der Kriegerschule spionierte er zwar für Techel, allerdings nur, um einer Strafe zu entgehen, die er für die Unterstützung einiger Rebellen im Inselreich erhalten sollte. Nachdem er dann wieder in sein Heimatland zurückkehren durfte, hat er sich mit der Citkirche gegen Techel verbündet. Er war es, der die Flotte Jorig Techels vernichtet hat, bevor sie Fendland angreifen konnte. Und er war es auch, der den Hafen von Tilet eingenommen hat, damit die dort stationierten Soldaten nicht den Umsturz in der Stadt verhindern.«
Das darauf folgende Schweigen hing so bleiern in der Luft, dass man die Last förmlich auf den Schultern zu spüren glaubte. Targ stand einfach nur da, klappte immer wieder den Mund auf und zu, ohne jedoch ein Wort über seine Lippen zu bringen.
Schließlich war es erneut Deran, der am schnellsten seine Sprache wieder fand: »Dann verdankst du letztlich deinen Thron dem Mann, der sowohl deinen als auch unseren Bruder auf dem Gewissen hat. Wie kannst du nur damit leben?« Der Hüne blickte Arden traurig an. »Und du willst ihn für seine Taten noch nicht einmal zur Rechenschaft ziehen, richtig?«
»Megas und seine Flotte sind einfach zu wichtig«, bestätigte Arden, ohne zu zögern, Derans Befürchtungen, »ich kann es mir nicht leisten, auf ihn zu verzichten. Zum Wohle meines Reiches müsst ihr eben mit eurer Rache warten, bis ich Megas nicht mehr brauche. So viel Zurückhaltung kann ich doch wohl von euch erwarten, oder?«
»Du sagst das, als ginge es darum, eine Prügelei in einer Schenke zu vermeiden.« Targs Wangen hatten sich gerötet, seine Augen waren zu Schlitzen verengt, er atmete stoßweise. Keiner der Ecorimkämpfer hatte ihn jemals so wütend gesehen. »Aber es geht um meinen Bruder. Es geht darum, dass sein Mörder
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