Das Vermächtnis der Schwerter
Erlebnisse in der Mine von Andobras verfolgten Rai immer noch, und so wie es aussah, würde er den monströsen Herrscher des Bergwerks auch nicht so schnell vergessen können.
»Es tut mir leid«, sagte der Mann, der bereits vorhin das Wort an ihn gerichtet hatte, »ich wollte dich nicht erschrecken. Mein Name ist Meatril, der Große hier ist Deran, das ist Targ und unser Jüngster dort ist Eringar.« Der südländisch aussehende junge Mann, der etwa in Rais Alter zu sein schien, warf dem Sprecher einen finsteren Blick zu, erwiderte aber nichts. Anscheinend schätzte er es nicht besonders, als »Jüngster« vorgestellt zu werden.
»Ich habe gehört«, fuhr Meatril fort, »dass diese Insel nun Arton Erenor untersteht, aber als ich vorhin einen Soldaten nach ihm fragte, bekam ich nur die Auskunft, ich solle mich an Rai oder Barat wenden, da sie hier das Sagen hätten. Du siehst mir aus, als wärst du von hier und vielleicht ein wenig auskunftsbereiter als dieser Wachmann vorhin. Ich wäre auch bereit, deine Mühe gebührend zu entlohnen, wenn du mich zu einem der Anführer dieser Insel bringen kannst.«
Nachdem der erste Schrecken überwunden war, stahl sich ein breites Grinsen auf Rais Gesicht. »Wie viel wärt ihr denn bereit, zu zahlen?«, fragte er spitzbübisch.
»Nun ja«, Meatril zuckte die Schultern. »Was hältst du von zwei Kupferstücken?«
»Fünf«, sagte Rai bestimmt. »Drunter mache ich keinen Finger krumm.«
»Also gut«, seufzte Meatril, »dann eben fünf. Aber erst, wenn du uns zu deinem Anführer gebracht hast.«
Rai streckte wortlos die Hand aus.
Meatril runzelte die Stirn. »Hast du mich nicht verstanden? Du musst erst etwas tun, damit du dein Geld bekommst.«
»Das habe ich bereits«, gab Rai zur Antwort. »Ich sollte euch zu einem der Anführer bringen und das habe ich getan. Darf ich mich vorstellen: Ich heiße Rai.«
Meatril warf seinen Gefährten einen ratlosen Blick zu, da er sich nicht entscheiden konnte, ob er seinem kurz geratenen Gegenüber Glauben schenken sollte. »Du bist also einer der Herrscher dieser Insel?«, erkundigte er sich zutiefst skeptisch.
»Na ja, als Herrscher würde ich mich nicht bezeichnen«, entgegnete Rai, dem die Verwirrung der Neulinge ein diebisches Vergnügen bereitete. »Aufgrund der Weisheit meiner zahllosen Jahre bin ich eher so etwas wie ein Stammesältester.« Er konnte sich nicht mehr beherrschen und prustete los.
»Schon gut«, meinte Meatril geduldig, »wenn du dich dann genügend auf unsere Kosten amüsiert hast, könntest du uns vielleicht doch noch zu eurem wirklichen Oberhaupt bringen?«
Als sich Rai endlich wieder beruhigt hatte, erklärte er schließlich: »Nein, Spaß beiseite, ich bin wirklich der Rai, der die Sklaven aus dem Bergwerk befreit hat. Und wenn auch weder Barat noch ich uns als Anführer oder Herren oder etwas dergleichen fühlen, so gibt es unter den Andobrasiern einige, die uns so nennen. Sagen wir einfach, unsere Stimme hat Gewicht.« Selbstbewusst stemmte er die Hände in die Hüften.
»Ich dachte, Alton hätte die Sklaven befreit und die Insel erobert«, wandte Targ ein, während er Rai abschätzig musterte.
Diese Worte vertrieben Rais Fröhlichkeit von einem Moment auf den anderen. Schwermütig senkte er den Kopf. »Arton hat mir geholfen oder ich ihm, wie man es nimmt.«
»Dann lebt er also wirklich noch!«, rief Eringar erfreut.
Rai sah auf und nickte. »Ja, er lebt oder zumindest war er noch am Leben, als ich ihn das letzte Mal sah. Wo er jetzt ist, weiß ich nicht, denn er hat uns ohne Abschied verlassen, ein paar Tage nachdem wir die Festung erobern konnten.«
Betroffenes Schweigen machte sich unter den vier Schwertträgern breit.
»Kanntet ihr Arton?«, fragte Rai vorsichtig, als nach einer Weile immer noch niemand etwas gesagt hatte. »Seid ihr etwa auch aus Seewaith?« Er blickte in vier überraschte Gesichter.
»In der Tat sind wir ehemalige Schüler aus der Kriegerschule Ecorim in Seewaith, die von Arton Erenor geleitet wurde«, bestätigte Meatril. »Deshalb bezeichnen wir uns auch als Ecorimkämpfer. Dass du wusstest, woher Arton stammt, spricht dafür, dass du ihn wirklich gekannt hast. Gibt es einen Anhaltspunkt, warum er so plötzlich abgereist ist?«
»Nun ja«, erwiderte Rai und verzog missmutig sein Gesicht, »ich glaube schon, dass ich weiß, warum er gegangen ist. Ich habe wahrscheinlich mehr von ihm erfahren, als gut für mich war. Aber nehmt es mir nicht übel, wenn ich diese Dinge jetzt
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