Das Vermächtnis der Schwerter
Hilfe hierhergebracht.
»Mir sind deine verrückten Rachespielchen so egal wie ein Haufen Hundedreck«, grollte Ferrag. »Der Kleine wird uns als Druckmittel gegen die neuen Burgherren dienen und damit Schluss! Dein Auftritt bei der Versammlung war ganz hilfreich, um die Stadtbewohner auf unsere Seite zu ziehen. Aber jetzt gilt es, unseren erkämpften Vorteil auch zu nutzen. Und da werde ich nicht auf deine Privatabrechnung mit dem Bengel Rücksicht nehmen. Ihr werdet alle euren vereinbarten Lohn erhalten, wenn wir erst einmal die Festung besetzt und den Tempelschatz an uns gebracht haben. Das muss genügen.«
»Du weißt genau«, hörte Rai die schrille Stimme von Nessalion, »dass es mir nicht um Gold geht.«
Ferrag lachte verächtlich. »Dir vielleicht nicht. Aber diesem raffgierigen Pack entflohener Minensklaven, das dir an den Hacken hängt, auf jeden Fall. Zu feige, um sich das Gold selbst zu holen, solange noch ein paar Wächter in der Festung sind, aber skrupellos genug, um ihre früheren Mitgefangenen zu verraten, damit die Drecksarbeit ein anderer macht. Ein schöner Haufen Abschaum, den du da mitgebracht hast. Ich glaube, denen würde es nicht gefallen, wenn das versprochene Gold ausbleibt.«
»Diese Leute sind mir gleichgültig«, schrie Nessalion zurück. »Ich habe sie nur geholt, weil du gesagt hast, wir brauchten Verstärkung, wenn wir gegen die Besatzer vorgehen wollen.«
»Ha, eine schöne Verstärkung ist das!«, gab Ferrag zurück. »Eine feige Bande von Halsabschneidern, die dir lieber dreimal von hinten einen Dolch zwischen die Rippen jagen, als dir einmal direkt gegenüberzutreten. Aber ist ja auch egal, Hauptsache, sie kämpfen nicht auf der Seite der Festungsbesatzung. Dafür sollen sie ihr Gold erhalten und du auch. So war’s abgemacht und dabei bleibt’s, damit das klar ist!«
Rai hörte, wie jemand geräuschvoll Treppenstufen hinaufstieg, dann herrschte Stille hinter der Tür. Er fröstelte immer noch, aber jetzt hatte sich in seinem Inneren ein weit machtvolleres Gefühl eingestellt als bloße Kälte. Es war nackte Angst. Schlimm genug, dass er hier in diesem dunklen Kerker festsaß, dessen Enge ihn ohnehin wieder an die schmalen Stollen der Erzmine erinnerte. Wenn er diesen vollkommen wahnsinnigen Nessalion richtig verstanden hatte, dann wollte dieser ihn erneut an den Ort seiner schlimmsten Albträume bringen. Aus irgendeinem, wahrscheinlich nur seinem verrückten Verstand zugänglichen Grund glaubte Nessalion, sich besser zu fühlen, nachdem er den vermeintlich Schuldigen für den Tod seines Sohnes am gleichen lichtlosen Ort zu Tode geknechtet hatte, wo auch sein Kind gestorben war.
Diese Vorstellung war zu viel für Rai. Die Kraft seiner Beine erlahmte, er fiel nach hinten um und landete unsanft auf seinem Hosenboden. Er barg das Gesicht in den Händen und begann zu schluchzen. Wie hatte es nur so weit kommen können, dass ihn ein Mensch auf solch fanatische Weise hasste? Natürlich war es kein Ruhmesblatt, was er mit dem jungen Warson gemacht hatte. Aber Rai war damals selbst in einer Zwangssituation gewesen, schließlich hatte er für seinen Freund Barat und sich selbst um jeden Preis etwas zu essen beschaffen müssen. Wenn er selbst gegangen wäre, hätte das seinen sicheren Tod in den Fängen des Ungetüms Ulag bedeutet. Der Herrscher der Mine hatte es auf ihn abgesehen, also war es doch nur logisch gewesen, einen möglichst unauffälligen Mittelsmann für das Tauschen von Rais geschlagenem Erz zu finden. Sicher war Rai klar gewesen, dass dieser Dienst eine gewisse Gefahr mit sich brachte. Aber das Risiko war nach seiner damaligen Einschätzung durchaus noch vertretbar gewesen und es hatte schließlich niemand ahnen können, dass Ulag so genau aufpassen würde. Somit konnte man ihm vielleicht einen Vorwurf wegen seiner Leichtfertigkeit machen, möglicherweise musste er auch mit einer Teilschuld an Warsons Tod leben, aber wirklich umgebracht hatte ihn doch immer noch Ulag! Es war einfach ungerecht von Nessalion, seinen ganzen Hass auf Rai zu konzentrieren!
Rai wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und starrte dann verzweifelt in die ruhig brennende Fackel. Um Warsons Vater zu verstehen, durfte er wahrscheinlich nicht so rational denken. Nessalion hatte der Tod seines Kindes regelrecht um den Verstand gebracht. Nachdem Ulag nicht mehr am Leben war und er gegen den Riesen auch schwerlich etwas hätte ausrichten können, blieb als Ziel für Nessalions Hass eben nur noch
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