Das Vermächtnis der Schwerter
verfügen nicht über einen eigenen Willen, sondern folgen den Weisungen ihrer Herren.«
»Ich habe aber bei den Zarg, die Ihr bei unserem Kampf zur Verteidigung des Tempels eingesetzt habt, durchaus einen ganz bestimmten Wunsch gespürt, als ich mithilfe des schwarzen Schwertes ihre Geistsprache wahrnehmen konnte«, warf Arton ein. »Es wirkte allerdings so, als habe nicht jedes Wesen einen individuellen Willen, sondern als würde die ganze Gruppe einfach dasselbe denken. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, kommt es mir vor wie die Geistsprache eines einzigen Wesens, dessen Gedankengänge und Erinnerungen jedoch viel komplizierter waren als die eines Menschen. Diese Kreaturen haben mir klar zu verstehen gegeben, dass sie es missbilligten, unter Eurer Kontrolle zu stehen, und lieber die Festung verlassen würden, um sich in den Wald zurückzuziehen.«
Zweifelnd starrte ihn der Erleuchtete an. »Ihr müsst Euch irren! Warum sollten die göttlichen Werkzeuge unzufrieden damit sein, ihrer Bestimmung zu folgen?«
»Vielleicht wollen diese Werkzeuge Euch gar nicht dienen, sondern einfach nur leben«, bemerkte Arton nüchtern.
»Die Themuraia wurden nur zu einem einzigen Zweck geschaffen«, widersprach Nataol ein wenig verunsichert, »nämlich, um zu dienen. Sie kennen kein ›Ich‹. Der Einzelne zählt bei ihnen nichts und jeder opfert sich bereitwillig, wenn es den anderen oder seinem Herrn nützt. Sie beherrschen noch nicht einmal eine Lautsprache, sondern verständigen sich ausschließlich über die Geistsprache. Dadurch wird es sehr leicht, auch eine größere Zahl von ihnen zu kontrollieren, wenn man über die Fähigkeit verfügt, mit ihnen in Verbindung zu treten. All das macht sie zu vollendeten Werkzeugen, genau wie es dem Willen der göttlichen Naurain entsprach.«
»Meine Erfahrung mit diesen Wesen widerspricht Euren Worten«, entgegnete Arton. »Wie auch immer, bisher kam in Eurer Geschichte noch immer kein schwarzes Schwert vor.«
Tatsächlich schienen Nataol die Bemerkungen des Kriegers über die Themuraia nachdenklich gestimmt zu haben, denn eher widerwillig löste er sich aus seinen Überlegungen, um schließlich weiterzusprechen: »Um das Wesen des Schwerts zu erfassen, müsst Ihr erst die Hintergründe seiner Entstehung kennen. Da die Themuraia den göttlichen Naurain zwar treue Diener waren, aber ihnen aufgrund ihrer einmütigen Duldsamkeit keine anregende Geistesnahrung bieten konnten, erschufen die Naurain ein weiteres Volk, das sich durch edlen Wuchs und großen Erfindungsreichtum, aber auch durch den Hang zu Eigensinn und Selbstüberschätzung auszeichnete. Weil die Gottesgleichen hofften, sich mit diesen Wesen auf erfrischende Weise austauschen zu können, nannten sie sie Fendi, was ›Freunde‹ bedeutet. Die Wesen selbst aber wählten, so wie es ihrer eigenwilligen Natur entsprach, einen anderen Namen für ihresgleichen: Sie bezeichneten sich als Menschen.« Der Priester forschte nach einer Regung in Artons zerfurchtem Gesicht, konnte dort aber nur zurückhaltende Aufmerksamkeit ausmachen.
»Aber auch die Gesellschaft der Fendi«, sprach Nataol weiter, »vermochte die Naurain nicht dauerhaft zu erfüllen, zu streitbar und roh war ihr Wesen. Die Göttlichen strebten die Erschaffung eines vollkommenen Volkes an, das Anmut und Schaffenskraft der Fendi mit Treue und Sanftmut der Themuraia verband. Diese letzten von den Naurain ins Leben gerufenen Kreaturen trugen den Namen Fardjani – das vollendete Volk. Äußerlich glichen sie den Menschen, aber ihre Natur war milder, reiner und von größerer Verbundenheit zu ihren Schöpfern durchdrungen. Zudem hatten sie von den Themuraia die Fähigkeit zur Geistsprache übernommen, verfügten aber auch über eine Lautsprache, was sie dazu befähigte, sich mit jedem ihrer beiden Brudervölker zu verständigen.«
Diesmal fand Nataols prüfender Blick den jungen Erenor weit weniger gelassen vor, denn die Bedeutung der priesterlichen Worte begann, ihre Wirkung zu entfalten. Arton hatte zwar noch immer nicht das erfahren, weswegen er hier war, dafür wurde ihm nun unvermittelt der Ursprung dieser mysteriösen Geistsprache enthüllt. Doch dies zog unweigerlich die nächste Frage nach sich: Wenn die Geistsprache eine Fähigkeit war, die von den Themuraia auf die Fardjani übergegangen war, warum konnte er dann ebenfalls auf diese Weise zu den Gedanken anderer vorstoßen, ähnlich wie Nataol? Der Priester hatte ja bereits bei ihrem ersten Gespräch an diesem
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