Das Vermächtnis der Schwerter
heiligen Willen der Götter in Stahl zu schmieden und ihm die Form einer Klinge zu geben, auf dass unübersehbar zum Ausdruck gebracht werde, dass auch die Götter den zerstörerischen Echsen den Krieg erklärt hatten. Xelos machte sich mit großem Eifer ans Werk, um in den Feuern der Unterwelt eine unübertroffene Waffe zu fertigen. Diese sollte es ihrem Träger ermöglichen, den Willen der Götter – gebannt in einem Schwert – zu nutzen, um alle Themuraia gleichzeitig gegen die Drachen führen zu können. Er wählte dazu das Stück eines Sterns, der vom Himmel fiel, als die Welt noch jung war. Xelos fachte die Schmiedefeuer zu so großer Hitze an, dass sich die zunächst hell glänzende Klinge schwärzte, bis sie so dunkel war wie die Schatten der Unterwelt. Auf diese Weise manifestierte sich der Wille der großen Götter zu einer Klinge aus schwarzem Metall – Themuron war geboren. Erst später, als offenbar wurde, über welch gewaltige Massen an Themuraia ihr Träger gebieten konnte, erdachten sich die Menschen einen Namen, der in ihrer Sprache die Macht dieses Schwertes angemessen beschrieb: Tausendsturm.«
Arton saß stumm auf seinem Stuhl und starrte auf das schwarze Schwert, das er locker in der Rechten hielt und dessen Spitze zu Boden wies. Unscheinbar wirkte die Waffe, regelrecht schlicht, kein Glanz, kein Schnörkel, keine Verzierung. Nur ebenmäßige Formen, Griff, Parierstange, Klinge, keine überflüssigen Augenfälligkeiten waren zu erkennen. Ein Schwert, das nicht erschaffen worden war, um durch edles Aussehen seinem Träger zu schmeicheln, sondern zu dem einzigen Zweck, die Feinde der Götter zu bezwingen.
Der junge Krieger war sich schon in dem Moment, als er die schwarze Klinge Tausendsturm das erste Mal in der Hand gehalten hatte, im Klaren über ihre Außergewöhnlichkeit gewesen. Jedes Wort Nataols, so unglaublich es auch klingen mochte, schien nun perfekt zu diesem Gefühl zu passen. Auch wenn sich sein Verstand noch sperrte, so wusste er doch intuitiv, dass der Citpriester die Wahrheit sprach – und damit wurde Artons gesamtes Weltbild in den Grundfesten erschüttert. Die Götter existierten, sie griffen sogar ein in die Geschicke der Menschen und, was ihn am meisten bewegte, sie hatten ihm, Arton Erenor, dem verbitterten Schwertmeister, der nicht an die lenkende Güte der Himmelsherrscher glauben wollte, ihre göttliche Waffe anvertraut. Welchen Zweck sie damit verfolgten, konnte er natürlich nicht wissen, aber es bestand nicht der leiseste Zweifel, dass es mehr als Zufall war, dass er an diesem entlegenen Ort im Nirgendwo auf das heilige Schwert Themuron getroffen war. Machten dann all die schlimmen Erlebnisse, die ihn hierhergebracht hatten, möglicherweise auch noch unversehens einen Sinn?
Plötzlich klopfte es leise an der Tür.
»Das ist kein günstiger Moment«, rief Nataol ein wenig ungehalten, ohne den vor der Tür Wartenden hereinzubitten. »Kommt später wieder.«
»Aber Erleuchteter«, drang eine gedämpfte Stimme von draußen durch die geschlossene Zimmertür, »es ist Zeit für die Abendandacht.«
Nataol hob überrascht die Augenbrauen. »Ist es schon so spät?«, murmelte er, um dann zu rufen: »Ich komme gleich!«
Er wandte sich an Arton. »Diese Unterbrechung tut mir leid, aber auf ausdrücklichen Wunsch meiner Tempelbrüder und auch einiger Minenarbeiter sollen die Messen anlässlich des Sonnenauf- und -Untergangs ab heute wieder zelebriert werden. Dieser Gottesdienst musste wegen meinem schlechten Gesundheitszustand die letzten Tage entfallen. Doch ich habe mein Versprechen gegeben, dass ich heute die Andacht persönlich leiten werde.«
Arton nickte abwesend. Seine Gedanken kreisten noch immer um das schwarze Schwert.
»Ihr könnt mich begleiten, wenn Ihr wollt«, schlug der Citpriester vor. »Die Andacht findet unter freiem Himmel auf dem Dach des Tempels statt. Wir versammeln uns alle um den goldenen Altarstein, der dem Sonnenrund nachempfunden ist, und begleiten mit unseren Gebeten Cits helles Auge, wie es am Horizont versinkt. Ihr werdet es nicht bereuen, wenn Ihr Euch entschließt, daran teilzunehmen.«
Arton zwang sich, seine Aufmerksamkeit wieder dem Glaubensführer zuzuwenden, um nicht unhöflich zu wirken. »Verzeiht, aber mir ist jetzt nicht nach Beten zumute. Ich will meinen Freund finden.«
Nataol lächelte nachsichtig. »Dann begleitet mich wenigstens bis zum Dach, denn ich werde ein wenig Hilfe beim Treppensteigen benötigen. Diesen kleinen
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