Das Vermächtnis der Schwerter
der Umstehenden schien etwas zu bemerken!
»Da … da … oben ist …«, versuchte Rai, den nächstbesten Xeliten zu warnen.
»Wenn wir in die nächste Höhle kommen, dann atme möglichst wenig, und wenn du schon Luft holen musst, dann nur durch den Stoff deines Hemdes«, befahl dieser, ohne sich um Rais Gestotter zu kümmern. »Wir passieren nun Xelos’ Schlot, die Atemluft ist dort von giftigen Dämpfen erfüllt.«
Ohne dass Rai die Gelegenheit zu einer weiteren Bemerkung bekam, setzte sich die kleine Gruppe wieder in Bewegung. Rai versuchte, nicht weiter an dieses grauenvolle Spinnenwesen über seinem Kopf zu denken, sondern zwang sich stattdessen, sich mit aller Macht auf den dunklen Weg vor ihm zu konzentrieren. Die Höhle hatte wahrlich gewaltige Ausmaße, sodass es eine kleine Ewigkeit dauerte, bis sie endlich ihr Ende erreichten. Dort sah es beinahe so aus, als wären sie in eine Sackgasse geraten, denn es war kein weiterer Tunnel auszumachen, dem sie hätten folgen können. Doch bald wurde deutlich, dass es nun bäuchlings weitergehen würde, denn die Xeliten verschwanden kriechend der Reihe nach in einem engen, schräg nach unten führenden Spalt. Notgedrungen tat Rai es ihnen gleich, robbte auf allen vieren eine kurze Strecke abwärts und folgte dann einem Knick, der ihn wieder bergaufführte.
Als er sich so keuchend über die scharfkantigen Felsen arbeitete, stach ihn urplötzlich etwas in die Nase. Erschrocken wischte er sich mit der Hand übers Gesicht. Die Spinne!, dachte er panisch. Bei seinem nächsten Atemzug wurde ihm jedoch klar, was den Stich in seiner Nasenhöhle verursacht hatte. Ein beißender Gestank fuhr wie eine Nadelspitze bis in seine Lungen und hinterließ eine leichte Benommenheit in seinem Kopf. Es stank wie eine ganze Wagenladung voll fauler Eier. Das mussten die giftigen Dämpfe sein, von denen der Xelit vorhin gesprochen hatte. Hustend zog er das Hemd übers Gesicht und versuchte, nur noch so wenig und flach wie möglich zu atmen. Schließlich zwängte er sich auf der anderen Seite des Spalts wieder heraus und stand unvermittelt in einer weiteren Höhle, die von der Größe her der letzten kaum nachstand. Im Licht der Fackeln bot sich Rai nun allerdings ein Anblick, der ihn alles andere vergessen ließ. Die Wände der Höhle erfüllte krabbelndes Leben. Beindicke bleiche Tausendfüßler liefen geschäftig zwischen den Felszacken hin und her und machten mit ihren kräftigen Kieferzangen Jagd auf kleine grillenartige Insekten. Doch die Höhlendecke wurde nicht nur von diesen riesigen Tausendfüßlern und ihrer Beute, sondern von noch weit mehr Lebewesen bevölkert, deren Vielgestaltigkeit Rais Vorstellungskraft bei Weitem übertraf. Es gab hüpfende, kriechende, sich schlängelnde Wesen in allen Formen und Größen, Kreaturen, die an Krabben, Skorpione und Asseln erinnerten, und Abermillionen Winzlinge, die man nur aufgrund ihrer gewaltigen Zahl überhaupt ausmachen konnte. Einzig Spinnen wie in der Höhle zuvor waren hier zu Rais großer Erleichterung nicht auszumachen, sodass er zumindest von diesem Übel befreit zu sein schien.
Den Fels überzog eine graubraune, schleimig wirkende Schicht, die zum Teil auch in großen Fransen von der Decke hing. Anscheinend bildete dieser Bewuchs eine Art Grundlage, auf der all das wuselnde Leben in der Höhle gedeihen konnte. Das Ganze vermittelte den Eindruck eines merkwürdig farblosen Urwaldes, der aus unerfindlichen Gründen in dieser lichtlosen Tiefe entstanden war und eine Vielzahl von skurrilen Lebensformen beherbergte.
Durch das ungeduldige Stoßen seines Bewachers wurde Rai in seinem fassungslosen Staunen unterbrochen. Auch der Xelit atmete nur durch sein Hemd, das er in der vorigen Höhle abgelegt hatte und nun mit der Hand vors Gesicht gepresst hielt.
»Geh weiter«, rief er, wobei der Stoff vor dem Mund seine Stimme dumpf klingen ließ, »wenn wir zu lange hier bleiben, werden uns die Dämpfe töten. Diese Kreaturen können hier leben, wir nicht.«
Rai tat, wie ihm geheißen, und stolperte vorwärts, wobei er seinen Blick nicht von dem gespenstischen Leben in der Höhle abwenden konnte. Bald begriff er, warum dieser Ort zu der Bezeichnung »Xelos’ Schlot« gekommen war. Über ihren Köpfen führten nämlich immer wieder lange Röhren nach oben durch den dunklen Fels, die unweigerlich an das Innere eines großen Kamins erinnerten. Dadurch konnte ein Großteil der Dämpfe in höher gelegene Höhlenteile entweichen und
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