Das Vermächtnis der Schwerter
vermutlich allein dadurch wurde dieser Bereich überhaupt für Menschen passierbar. Erst als Rai noch ein wenig weitergegangen war, bemerkte er, dass ihr Weg zu beiden Seiten von dampfenden Tümpeln gesäumt wurde, deren Ränder im Fackellicht in beinahe allen Farben des Regenbogens leuchteten. Aus diesen kristallklaren Wasserlöchern stiegen ohne Unterlass dicke Blasen empor, die eine Weile an der Oberfläche trieben, bevor sie dann geräuschvoll zerplatzten. Das schmatzende Blubbern, das die Höhle dadurch erfüllte, erinnerte fast an eine kochende Suppe in der Küche des Hauses Scherwingen, wo Rai eine Weile ausgeholfen hatte. Allerdings wollte der stechende Geruch nicht so recht dazu passen, der ihm die Sinne vernebelte und mittlerweile ein schmerzhaftes Pochen in seinem Schädel ausgelöst hatte. Diese immer stärker werdenden Kopfschmerzen kündeten bereits davon, was geschehen würde, wenn er sich hier noch länger aufhielt.
Glücklicherweise war recht bald ein weiterer schmaler Spalt erreicht, der steil abwärts aus dieser wimmelnden Brutstätte hinausführte. Dankbar registrierte Rai, dass schon wenige Schritte nach Verlassen der Höhle der Gestank auf ein erträgliches Maß zurückging und auch keine krabbelnden Monstrositäten mehr an der Decke hingen. Schließlich kamen sie an eine Gabelung. Linker Hand führte ein weiterer Gang waagrecht in die Dunkelheit, rechts verlief die Strecke weiter abfallend und leicht gebogen, sodass man auch im Licht der Fackeln nicht besonders weit sehen konnte. Als jedoch die meisten Xeliten bereits in dem linken Tunnel verschwunden waren und die Helligkeit ihrer Fackeln weitgehend mit sich genommen hatten, konnte Rai einen schwachen goldenen Schimmer wahrnehmen, der die Wände dieses Ganges überzog. Zunächst sah es so aus, als würde der Fels selbst leuchten, doch dann begriff Rai, dass er auf den Tunnelwänden den Widerschein einer hellen Lichtquelle erblickte, die irgendwo in dem Teil des Ganges sein musste, den er von seiner Position aus nicht einsehen konnte. Beim Anblick dieses warmen Glimmens musste Rai unwillkürlich an das Glühen eines Kohlefeuers denken und der heiße Lufthauch, der ihm aus dieser Felsröhre entgegenwehte, unterstrich noch diesen Eindruck. Rührten diese Hitze und der Lichtschein vielleicht am Ende von Xelos’ ewigem Feuer her? Hatten die Xeliten etwa das Tor zu den Hallen der Toten gefunden? Waren sie bereits so tief?
Aber er bekam keine Gelegenheit, dieser ungeheuerlichen Vermutung nachzugehen, denn seine Bewacher drängten ihn in den linken Gangabschnitt, in dessen Schutz sich die Hitze wieder auf ein erträgliches Maß reduzierte. Nach kurzer Wegstrecke öffnete sich der Gang zu einer weiteren Höhle, die von den widerhallenden Stimmen einiger Menschen erfüllt war. Rai konnte erkennen, dass sie offenbar auf eine zweite Gruppe von Xelosanhängern getroffen waren, mit denen der Anführer gerade sprach. Dabei deutete dieser immer wieder auf die beiden Gefangenen und hob einige Male beschwörend seinen brennenden Stab in die Höhe, so als wolle er seinen Zuhörern damit Respekt einflößen. Schließlich kam er entschlossenen Schrittes auf Rai und Nessalion zu.
»Werft sie solange ins Loch«, befahl er ihren Bewachern, »dort werden sie bleiben, bis das Ritual für die Opferung vorbereitet ist.«
Ohne das geringste Zögern wurden die beiden Gefangenen von den vier Xeliten durch einen kurzen Verbindungstunnel aus dieser Höhle in die nächste gebracht, die sich weit hinein in den Fels erstreckte. Die Wände wiesen hier zahlreiche Risse und Vertiefungen auf, die an die Oberfläche eines Schwammes erinnerten. Vor einer dieser Spalten, die gerade mannshoch und nicht einmal halb so breit war, machten ihre vier Bewacher halt. Mit knappen Gesten gaben sie ihnen zu verstehen, dass sie sich in diesen engen Zwischenraum hineinzwängen sollten. Nachdem sich Rai und Nessalion ohne Widerstand gefügt hatten, verschlossen die Xeliten das Gefängnis durch einen schweren Felsen, den sie mit vereinten Kräften vor den Eingang wälzten. Daraufhin entfernten sich die Xelosdiener und mit ihnen entschwand auch das letzte bisschen Licht.
Rai war todmüde. Trotzdem zwang er sich, ihre Felsenzelle auf eine eventuelle Fluchtmöglichkeit hin zu überprüfen. Wie er bereits vermutet hatte, war der Stein, der den Spalt verschloss, so schwer, dass er ihn wahrscheinlich nicht einmal mit Nessalions Hilfe hätte bewegen können, selbst wenn sich sein Mitgefangener aus
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