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Das Vermächtnis der Schwerter

Titel: Das Vermächtnis der Schwerter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Rothballer
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fort.
    Kawrin schwankte zwischen Zorn und Erstaunen. Einerseits hatte ihm Arton nun die längste Erklärung geliefert, die jemals von dem schweigsamen Schwertfechter zu vernehmen gewesen war, andererseits hatte er sich wiederum nicht damit aufgehalten, nach Kawrins Meinung zu fragen. Allerdings hatte Arton tatsächlich stichhaltige Argumente geliefert, warum sie zuerst in den östlichen Tunneln nach Rai suchen sollten, und damit fehlte Kawrin nun eigentlich eine gute Begründung für seinen Unmut. Er durfte einen vernünftigen Vorschlag nicht ablehnen, nur weil er einen tiefen Groll gegen Arton hegte, denn damit würde er letztlich Rai schaden. Diesen zu befreien, musste aber Vorrang vor seiner Wut haben, und wenn er etwas in seiner Zeit als Assassine gelernt hatte, dann war es, seine eigenen Empfindungen dem zu erreichenden Ziel unterzuordnen. Also schluckte er seinen Ärger ein weiteres Mal hinunter und folgte dem herrischen Krieger in die Oststollen. Doch eines wusste er: Irgendwann würde er sich Arton nicht mehr widerspruchslos unterordnen, irgendwann würde er sich ihm entgegenstellen – und zwar mit aller Macht.

 
XELOSFEUER
     
    R ai träumte. Er fegte die Küche im Hause Scherwingen. Es war ein guter Tag, denn der brutale Aufseher Kaster Tjolmar hatte außerhalb des Anwesens zu tun und so konnte sich Rai in aller Ruhe seinen Aufgaben widmen und sich dabei noch in der Nähe der von ihm angehimmelten Küchenmagd Nera aufhalten. Allein ihr betörender Duft versetzte ihn in einen Zustand der Verzückung, doch als sie ihn dann mit ihrer lieblichen Stimme ansprach, war er so verwirrt, dass es ihm nicht gelang, ein vernünftiges Wort zu äußern. Unvermittelt verschwanden die vertrauten Räumlichkeiten und Schwärze senkte sich über seine Augen. Erschrocken blinzelte er mehrmals, doch die Dunkelheit ließ sich nicht vertreiben. Wieder hörte er leise Neras Stimme: »Hallo! Wach auf.«
    Verdutzt drehte er den Kopf in die Richtung, aus der er die sanfte Aufforderung vernommen hatte, und dort erkannte er das Gesicht eines jungen Mädchens, das von dem schwachen Schein einer Kerze in unheimliche Schatten getaucht wurde. Das war nicht seine Nera! Und hier befand er sich auch nicht im Hause Scherwingen, sondern in einem steinernen Gefängnis tief unter der Oberfläche. Wie ein Schwall kalten Wassers trafen ihn die Erinnerungen, sodass er sich augenblicklich wieder sehnlichst in seinen Traum zurückwünschte. Aber er war hier, an diesem Ort aus Finsternis und Felsen, und wie es aussah, gab es kein Entrinnen.
    »Ich bringe euch ein wenig Wasser und etwas zu essen«, sagte das Mädchen am Zelleneingang mit gedämpfter Stimme. »Es ist nicht viel, aber vielleicht hilft es ja, den ärgsten Hunger zu stillen.« Sie schob eine Hand durch einen schmalen Spalt auf Kniehöhe zwischen dem Verschlussstein und der Höhlenwand und hielt Rai einen beinahe leeren Wasserschlauch hin, sowie ein faustgroßes Stück einer merkwürdigen weißlichen Masse.
    Rai überlegte nicht zweimal. Er stürzte das Wasser seine ausgedörrte Kehle hinunter und besann sich, erst kurz bevor er den letzten Tropfen aus dem Schlauch gesaugt hatte, darauf, dass er ja nicht allein in diesem Felsenkerker saß. Er blickte sich nach Nessalion um, der immer noch regungslos mit geschlossenen Augen auf dem Höhlenboden kauerte, und legte den Wasserschlauch neben ihn. Dann wandte er sich dem weißen Brocken zu, der anscheinend etwas zu essen darstellen sollte. Da seinem Magen bereits seit einem vollen Tag nichts Nahrhaftes mehr zugeführt worden war, schlang Rai die unbekannte Speise ohne genauere Prüfung einfach hinunter und machte sich diesmal auch nicht die Mühe, etwas für Nessalion aufzusparen. Es schmeckte grauenhaft. Die Konsistenz erinnerte am ehesten an Hühnerfleisch, aber geschmacklich musste der kleine Tileter diese Substanz irgendwo zwischen altem Ziegenkäse und verdorbenen Eiern einordnen. Zumindest füllte es die klagende Leere in seinem Bauch, wenn auch nicht vollständig.
    Während er versuchte, den von der weißlichen Speise ausgelösten Würgereiz zu unterdrücken, besah er sich seine Wohltäterin genauer. Bis auf einige kurze Haarbüschel war auch ihr Kopf wie bei allen Xeliten kahl und die Stirn wurde durch zwei Flammenmale verunziert. Ansonsten hatte die Fremde, soweit dies in dem schwachen Schein ihrer Kerze auszumachen war, eine etwas dunklere Hautfarbe als Rai und das Weiß ihres Augapfels wirkte im Kontrast zu ihren schwarzen Pupillen so

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