Das Vermächtnis der Schwerter
hell, dass es beinahe aus sich heraus zu leuchten schien. Zudem erkannte Rai nun bei einer genaueren Betrachtung, dass diese Xelosanhängerin wohl kaum älter war als er selbst.
»Du hättest es dir besser einteilen sollen«, ermahnte sie ihn flüsternd mit einem vorsichtigen Blick über ihre Schulter. »Mehr wird es nicht geben. Wir haben selbst nicht gerade viel zu essen.«
Rai nahm sich vor, auf der Hut zu sein. So beunruhigt wie sich die Xelitin umsah, lag die Vermutung nahe, dass sie verbotenerweise gekommen war. Vielleicht hatte sie ihn nur aus reiner Freundlichkeit gegen den Willen ihres Anführers mit Vorräten versorgt, wahrscheinlicher schien hingegen, dass sie noch etwas anderes mit dieser Gefälligkeit bezweckte. Somit stimmte ihn ihre unverhoffte Hilfsbereitschaft eher misstrauisch. »Was war das denn eigentlich, was du mir da gebracht hast?«, erkundigte sich Rai. »Es schmeckte irgendwie … komisch.«
»Ich weiß«, nickte die Xelitin, »das Fleisch schmeckt furchtbar. Aber hier unten gibt es nun mal nicht so viel Auswahl an jagdbaren Tieren.«
Die Augen des jungen Tileters weiteten sich zu großen Kreisen und seine Mundwinkel wanderten voller Ekel nach unten. »Willst du mir etwa sagen, dass ich gerade eines dieser Krabbelviecher aus der stinkenden Höhle gegessen habe?« Er schluckte. Übelkeit stieg in ihm auf.
Das Gesicht der Xelitin verfinsterte sich. »Du meinst Xelos’ Schlot«, korrigierte sie ihn ungehalten. »›Stinkende Höhle‹ ist kein angemessener Ausdruck für dieses Wunder unseres Herrn.«
Rai verzog angewidert sein Gesicht. »Wie auch immer ihr das nennt, dort kreucht jedenfalls eine ganze Menge Unappetitliches an den Wänden herum, das nach meinem Geschmack entschieden zu viele Beine besitzt. Oder habe ich am Ende gar eine dieser widerlichen Spinnen gegessen?« Rai wurde von Ekel geschüttelt.
»Jetzt stell dich nicht so an«, wies ihn die Xelitin zurecht, »wir essen das fast jeden Tag und bisher hat es uns nicht geschadet. Aber ich kann dich beruhigen, es war keine Spinne. Die taugen nicht als Nahrung, sondern ganz im Gegenteil, wir müssen vor den Spinnen gehörig auf der Hut sein, damit wir nicht zu deren Nahrung werden. Einzeln sind sie ziemlich harmlos und auch zu mehreren wagen sie sich nicht an eine Gruppe Menschen heran. Aber wehe, du bist allein, dann bringen sie dich im Rudel zur Strecke.«
»Aber du bist doch gerade alleine hierhergekommen«, wandte Rai alarmiert ein.
»Vielleicht bin ich ja mutiger als die anderen«, erwiderte sie schnippisch. »Wenn man vorsichtig ist und die Warnzeichen richtig zu deuten weiß, passiert einem nichts«, fügte sie erklärend hinzu. »Normalerweise jagen die Spinnen andere Tiere, meist die großen Tausendfüßler, wenn sich diese zu weit von ihren Artgenossen entfernen. Menschen gehören wohl nicht zu ihrer bevorzugten Beute, aber sie nehmen eben, was sie kriegen können, so wie wir ja auch.« Sie quittierte Rais Ekel mit einem spöttischen Lächeln.
»Deshalb habe ich dir das Fleisch eines Tausendfüßlers gebracht«, verkündete die Xelitin nun genüsslich. »Die sind zwar auch recht wehrhaft, aber wenn sie ihre Jagdhöhle einmal verlassen und nicht vorher von den Spinnen erwischt werden, dann können wir sie mit ein wenig Glück erlegen. Xelos’ Schlot mag dir unwirtlich erscheinen, aber dennoch versorgen uns die Kreaturen dieser Höhle mit lebensnotwendiger Nahrung. Damit ist es der Gnade unseres Herrn zu verdanken, dass du etwas zu essen bekommen hast, denn all das ist sein Werk. Also zeige wenigstens ein bisschen Dankbarkeit.«
»Na, wenn das Xelos’ Gnade war«, erwiderte Rai, ohne nachzudenken, »dann möchte ich nicht erleben, wenn er einmal ungnädig wird.«
Mit einem wütenden Zischen wandte sich die Xelosanhängerin zum Gehen.
»Halt, warte!«, rief Rai ihr hinterher. »Es tut mir leid. Ich wollte nichts gegen euren Gott sagen. Aber du bist doch bestimmt nicht nur gekommen, um mir etwas zu essen zu bringen, oder?«
Die Xelitin drehte sich um und näherte sich wieder dem Spalt, durch den sie in Rais Felsenzelle blicken konnte. Ihre Augen hatten sich zu zornig funkelnden Schlitzen verengt. »Ich hätte dir nichts zu essen bringen müssen, aber ich habe es getan und als Dank verspottest du das, woran ich glaube. Man sollte meinen, jemand in deiner Situation würde mehr Respekt zeigen.«
»Ich sagte doch bereits Entschuldigung«, gab Rai zurück, »aber meine guten Manieren sind mir angesichts meines baldigen
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