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Das Vermächtnis der Schwerter

Titel: Das Vermächtnis der Schwerter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Rothballer
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sind alle noch am Leben.«
    »Wie lange seid ihr denn schon hier?«, fragte Rai erstaunt.
    »Das weiß ich nicht so genau. Ich war bereits ein knappes Jahr in der Mine, als der Feuerherold mich mit in die Tiefe nahm. Danach gab es keine Möglichkeit mehr, die Tage zu zählen. Ich denke aber, ich bin jetzt etwa so alt wie du, und als ich hierherkam, war ich neun.«
    »Dann bist du seit sechs Jahre hier unten?«, rief der junge Tileter und verschluckte sich vor Überraschung.
    Das Mädchen nickte. »Ich habe inzwischen fast vergessen, wie es an der Oberfläche aussieht. Seit uns der Feuerherold hierhergebracht hat, habe ich keinen Sonnenstrahl mehr erblickt.« Sie sprach diese Worte mit einer eigenartigen Mischung aus Stolz und Bedauern. »Ich glaube, es gibt nicht viele, die so lange im Bergwerk von Andobras überlebt haben, und das verdanke ich allein unserem Anführer. Wäre er nicht gewesen, hätte ich wahrscheinlich nicht einmal das erste Jahr in der Mine überstanden.«
    Rai schwieg zutiefst erschüttert. Er hatte gerade einmal wenige Tage unter Ulags brutaler Herrschaft verbracht und es war ihm bereits wie eine Ewigkeit vorgekommen. Er konnte sich kaum vorstellen, was es bedeutete, so viele Jahre von frischer Luft, grünen Pflanzen und dem Licht der Sonne abgeschnitten zu sein und dann noch wegen Ulags Grausamkeit ständig im Verborgenen leben zu müssen.
    »Eigentlich«, fügte die Xelitin vorsichtig hinzu, »war das auch ein Grund für mein Kommen. Ich habe schon so lange die Oberfläche nicht mehr gesehen, dass ich hoffte, du könntest mir ein wenig davon berichten. Erzähle mir ein wenig vom Blau des Himmels und der strahlenden Sonne! Welche Jahreszeit herrscht gerade?« Sie richtete ihren Blick erwartungsvoll, fast flehentlich auf Rai. Jede Spur ihrer anfänglichen Schroffheit war verschwunden.
    »Hm, ich weiß nicht, was soll ich dir denn genau erzählen?«, erwiderte der Tileter verwirrt. »Der Himmel ist blau und die Wiesen sind grün. Es ist tagsüber überall hell und man kann weit schauen, nicht so wie hier.«
    Sie wurde ganz aufgeregt. »Regnet es eigentlich viel auf Andobras? Und ist der Regen immer noch so kühl und erfrischend, wie ich ihn in Erinnerung habe?«
    Rai musste lachen. »Ja«, nickte er, »regnen tut es ziemlich viel auf Andobras.«
    »Ich kann mich erinnern, dass wir übers Meer herkamen«, erzählte die junge Xelitin versonnen, »und dass die Wellen rauschten und der Wind blies. Warst du am Meer?«
    Langsam kam sich Rai ein wenig seltsam dabei vor, die Alltäglichkeiten des Lebens auf der Insel zu beschreiben, wenngleich auch diese unbefangene Neugier der Xelitin sie gleich viel sympathischer machte.
    »Na ja, sicher war ich am Meer«, bestätigte er, »und es rauscht und windet da auch immer noch genauso sehr wie in deiner Erinnerung. Die Sonne geht jeden Morgen auf und am Abend wieder unter, in der Nacht scheint der Mond vom Himmel herab und die Sterne funkeln, es gibt Bäume und Gras, Vögel singen im Geäst und alle möglichen kleinen und großen Pelztiere laufen im Wald herum.«
    Die Xelosdienerin seufzte tief. Ihr Gesicht wirkte so verklärt, als beschriebe Rai gerade eine unerreichbare Traumwelt, die so nur in der Fantasie existieren konnte.
    »Aber wenn dir das alles so fehlt«, sprach Rai in einem möglichst beiläufigen Tonfall weiter, »dann verlasse doch einfach diesen dunklen Ort und kehre zurück an die Oberfläche.«
    Augenblicklich wich die sanfte Verträumtheit aus ihrem Gesicht, stattdessen schüttelte das Mädchen verbissen den Kopf. »Ich darf mich dem Wort des Feuerherolds nicht widersetzen, denn nur er kennt den Willen des Herrn. Der Feuerherold sagt, dass Xelos unsere Gebete bald erhören und uns von diesem harten Los befreien wird, wie er es schon einmal getan hat, als er unserem Anführer den Weg zu diesen Höhlen gewiesen hat. Ich vertraue seinem Wort.«
    »Aber du hast dich doch schon seinem Wort widersetzt, als du zu mir gekommen bist!«, erwiderte Rai beharrlich. »Du verschwendest eure spärlichen Nahrungsvorräte an einen Todgeweihten, und das noch gegen den Willen deines Anführers, nur um ein bisschen über die Oberfläche zu erfahren. Das zeigt doch ganz klar, wie unzufrieden du mit deiner Lage hier bist, nur deshalb redest du überhaupt mit mir, oder nicht?«
    Die Xelitin sah Rai aus ihren glänzenden Augen so durchdringend an, dass diesem abwechselnd heiß und kalt wurde. Er konnte nicht wirklich einordnen, was er empfand, aber die junge Frau

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