Das Vermächtnis der Schwerter
Felswand hindurchzugleiten. Hinter dem Stein musste er sogleich den Beinen eines Xeliten ausweichen, der direkt am Zelleneingang stand. Ein überraschter Ausruf verriet Rai, dass die Xeliten sein Fluchtmanöver nun bemerkt hatten. Eine Hand packte sein Wams am Rücken. Rai riss sich mit aller Kraft los, machte eine Rolle nach vorne und kam endlich wieder auf die Füße. Er begann zu laufen. Eine wilde, triumphierende Freude bemächtigte sich seiner: Er hatte es tatsächlich geschafft, seine Bewacher zu übertölpeln!
Die Höhle, in der er sich befand, fiel zum Ausgang hin leicht ab, was ihm zusätzlichen Schwung verlieh. Weit hinter sich hörte er die Stimmen seiner Verfolger. Sie würden ihn sicherlich nicht so schnell einholen. Da kam auch schon der Verbindungsgang zur nächsten Höhle in Sicht, wenngleich auch nicht viel davon zu erkennen war, da das Fackellicht der Xeliten kaum noch bis hierher drang. Warum blieben sie denn so weit zurück?
Er rannte durch den kurzen Tunnel, der ihn eigentlich wieder in die Höhle bringen sollte, wo sie vorher auf den zweiten Xelitentrupp getroffen waren. Zu spät wunderte er sich darüber, dass der Gang wesentlich höher war, als er ihn in Erinnerung hatte. Da prallte er auch schon in vollem Lauf gegen eine Wand. Ohne zu begreifen, was geschehen war, taumelte er zurück und fand sich gleich darauf am Boden sitzend wieder. Etwas Warmes, Klebriges lief ihm übers Gesicht. Eine klaffende Wunde prangte auf seiner Stirn, er blutete. Noch immer verstand er nicht, was gerade geschehen war. Orientierungslos starrte er geradeaus, wo eigentlich der Durchgang zur nächsten Höhle hätte sein müssen, doch dort war nur schwarzer Fels. Er fühlte sich wie versteinert, so als wäre er durch den Zusammenprall mit der unnachgiebigen Wand selbst ein Teil des Bergs geworden.
Rai versuchte, die Benommenheit abzuschütteln. Nachdem sich der Nebel in seinem Kopf ein wenig verzogen hatte, dämmerte ihm auch langsam, was passiert war. Er hatte die Seiten verwechselt! Er war wie ein aufgescheuchtes Kaninchen am falschen Ende der Höhle in eine der Spalten gelaufen, die er für den Ausgang gehalten hatte. Eine götterverfluchte Sackgasse hatte ihn genarrt! Ihn, der schon Dutzende Male bestohlenen Händlern, aufgebrachten Hausbesitzern und der Tileter Garde entwischt war! Beschämend! Konnte das eigene Ende noch unrühmlicher vonstattengehen? Gleich würden ihn die Xeliten einholen. Er würde in dem Bewusstsein sterben, dass er sein Leben durch eigene Dummheit verspielt hatte.
Doch trotz der erdrückenden Schmach war sein Überlebenswillen immer noch ungebrochen. Hinter sich hörte er jetzt deutlich die Rufe seiner Verfolger. Es musste doch irgendwo einen Ausweg geben! Er rappelte sich ächzend auf und torkelte wie ein Betrunkener an der Wand entlang. Hektisch tastete er nach irgendeiner Öffnung, die ihm zur Flucht verhelfen konnte. Da! In Kopfhöhe gab es einen Riss im Fels, groß genug für ihn, um hindurchzukriechen. Ohne zu überlegen, zog er sich hoch und rollte in den Spalt hinein. Spitze Felsdorne bohrten sich in seine Rippen, aber jetzt gab es kein Zurück. Halb kriechend, halb auf allen vieren arbeitete er sich vorwärts, bis er endlich die enge Passage hinter sich gebracht hatte und die Deckenhöhe wieder groß genug war, um sich aufzurichten.
Rai lauschte angestrengt, doch er konnte kein verräterisches Geräusch wahrnehmen, das auf eine anhaltende Verfolgung durch die Xeliten hindeutete. Der Tileter atmete auf. Die Wunde an seinem Kopf schmerzte zwar, aber sie schien nicht weiter schlimm zu sein. Trotzdem wirkte sein Schädelinneres immer noch träge und dumpf, als wäre es in Watte gepackt. Das größte Problem war jedoch, dass es hier kein Licht gab. Ohne den Fackelschein seiner Verfolger war er in der Dunkelheit so gut wie verloren. Schon ein kleines Loch im Boden konnte zur tödlichen Falle werden. Aber was blieb ihm anderes übrig, als auf sein Glück zu vertrauen und abzuwarten, wohin es ihn führen würde?
Vorsichtig nahm er mit seiner Hand Kontakt zu der rauen Felswand an der rechten Seite auf und begann, sich langsam vorwärtszutasten. Dabei prüfte er jedes Mal, bevor er den Fuß aufsetzte, sorgfältig, ob der Untergrund möglicherweise Risse oder Spalten aufwies. Konzentriert legte er auf diese mühsame Weise ein gutes Stück Weg zurück, bis ihm auffiel, dass er plötzlich die Spitze seines Schuhs sehen konnte. Überrascht blickte er nach oben. Schemenhaft ließen sich die
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