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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Brüsten einer deutschen Ketzerin ausgesetzt, die ihn mit schlechter Milch tränken und seine Seele mit Finsternis und Irrglaube erfüllen wird, falls er ihr Gift überlebt.«
    »Ich brauchte eine Amme, das weißt du genau!« Die Ehrerbietung, welche die Fürstin eben noch gezeigt hatte, war mit einem Schlag verschwunden. Kriegerisch funkelte sie den Priester an und wies dann mit einer ausgreifenden Geste auf den Trakt des Anwesens, in dem ihre Mägde untergebracht waren.
    »Ich habe auf einer Deutschen oder einer Baltin als Amme für meinen Sohn bestanden. Deshalb bin ich auch nach Pskow gekommen und wäre noch weiter gereist, um eine zu finden. Die russische Amme, die auch du mir empfohlen hast, hat sich als Verräterin erwiesen, die den Tod meines Sohnes im Sinn hatte!«
    Pantelej kniff die Lippen zusammen, um Flüche zurückzuhalten, die mit der Würde seines geistlichen Standes nicht vereinbar gewesen wären, und hob beschwichtigend die Hände. »Hat Gott der Herr denn nicht seine Güte bewiesen, indem er das schändliche Tun dieses Weibes ans Tageslicht gebracht hat, bevor sie ihre Tat vollenden konnte? Vertrau auch jetzt auf Gott und jage die Deutsche fort. Sie ist gewiss nicht gut für deinen Sohn.«
    »Soll mein Kind verhungern? Es wird die Milch der Ziege nichtlange überleben.« Kaum gezügelter Zorn zeichnete sich auf dem Antlitz der jungen Fürstin ab, und der Priester musste sich eingestehen, dass er zumindest an diesem Tag auch bei ihr nichts mehr würde ausrichten können.
    »Gott in seiner Güte hätte gewiss einen seiner Engel zu deinem Sohn geschickt und ihn mit himmlischer Milch getränkt«, behauptete er, doch er führte nur noch ein Rückzugsgefecht, um sich nicht gänzlich als Verlierer fühlen zu müssen. Wie schon so oft bedauerte er, dass Fürst Michail von Worosansk seinen Sohn nicht mit einem braven und gehorsamen russischen Mädchen verheiratet hatte. Dimitris Vater hatte jedoch befürchtet, in die Wirren nach dem Tod des Moskauer Großfürsten Wassili I. und der darauffolgenden Thronerhebung des erst zehnjährigen Wassili II. zu geraten, und war deswegen flugs nach Konstantinopel geeilt. Dort hatte er für Kaiser Johannes VIII. in Griechenland gegen die Türken gekämpft und als Belohnung eine von dessen Nichten als Ehefrau für seinen Sohn angeboten bekommen. Michail von Worosansk hatte sofort zugegriffen und die junge Byzantinerin mit nach Hause genommen, denn dies war eine Ehre, die nur wenigen Fürsten Russlands zuteil wurde. Aber er hatte auch eine im Kampf erhaltene Wunde mitgebracht, die trotz aller Künste der Ärzte nicht mehr geheilt war, und jetzt lag er in geweihter Erde. Sein Sohn jedoch …
    Ein verärgerter Ausruf der Fürstin unterbrach Pantelejs Sinnieren und rief ihn in die Gegenwart zurück. »Ich werde für deinen Sohn ebenso inbrünstig beten wie für deinen Gemahl, meine Tochter. Und nun Gott befohlen!« Er segnete Anastasia, schlug das Kreuz etwas flüchtiger über der Haushofmeisterin und zog sich zurück. Unterwegs sagte er sich, dass er unbedingt Lawrenti aufsuchen und mit ihm sprechen musste. Es galt zu überlegen, wie man den Fürsten vor Dummheiten bewahren konnte, deren Auswirkungen weitaus schlimmer waren als seine jäh aufgeflammte Leidenschaft für die junge Afrikanerin.

XIII.
     
    L isas Quengeln erinnerte Marie daran, dass die Kleine schon wieder Hunger hatte. Da sie es nicht wagte, dem Mädchen die Brust zu geben, bevor der fürstliche Spross sich satt getrunken hatte, stand sie seufzend auf und begab sich in den Stall, um die Ziege zu melken. Zu ihrer Verwunderung entdeckte sie dort eine wimmernde, zusammengekauerte Gestalt, die sich bei ihrem Erscheinen gegen die Bretterwand des Verschlags drückte.
    Als Marie näher kam und ihre Augen das Halbdunkel durchdrangen, schrie sie vor Erstaunen auf. »Alika? Wie kommst denn du hierher? Bei Gott, wie freue ich mich, dich zu sehen.« Sie legte Lisa auf ein Büschel Stroh und kniete neben ihrer Freundin nieder.
    Die starrte sie so ungläubig an, als sähe sie einen Geist vor sich, und klammerte sich dann schluchzend an sie.
    »Ist ja schon gut!« Marie streichelte ihr über den krausen Schopf und zeigte dann auf den Säugling. »Lisa hat Hunger. Ich muss die Ziege melken.«
    Ein wenig Deutsch hatte Alika schon von ihr gelernt und tippte gegen Maries Brüste zum Zeichen, dass sie Lisa dort anlegen sollte, aber ihre Freundin schüttelte bedauernd den Kopf. »Das geht nicht, denn man hat mich als Amme gekauft.

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