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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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heftiger gewesen sein musste als alle, von denen Marie gehört hatte. Mehr als zwei Dutzend der Gefährten des Fürsten lagen durcheinander auf dem Fußboden und gaben gurgelnde Schnarchgeräusche von sich, und es stank widerlich nach Branntwein und Erbrochenem.
    Angeekelt ging Marie an den Männern vorbei, um zu sehen, ob es noch jemanden gab, den sie auf die Beine bringen konnte. Sie kannte alle, die hier ihren Rausch ausschliefen. Selbst Dimitri hatte es nicht mehr bis in seine Kammer geschafft, sondern hing halb über die Lehne seines Thrones. Hatte es zuerst ausgesehen,als wären alle Mitglieder des engeren Kreises um den Fürsten vom Branntwein außer Gefecht gesetzt worden, so vermisste Marie nun Andrej, dessen Onkel Lawrenti, den Priester Pantelej und einen der Jüngsten aus diesem Kreis. Auch Dimitris Bruder war nirgends zu sehen.
    Für einen Augenblick atmete sie auf, denn sie nahm an, dass Lawrenti und sein Neffe sich bereits um den Aufruhr in der Stadt kümmerten. Doch in dem Moment hallten draußen Schritte auf, und Andrej stolperte fluchend durch die Tür, stieg über die Schlafenden und blieb vor dem Hochsitz des Fürsten stehen. Dort nestelte er an seiner Hose und holte sein Glied heraus.
    Dann bemerkte er Marie und fuhr sie an. »Du hast nichts gesehen, verstanden!«
    »Gewiss nicht, Herr! Aber hier ist niemandem mehr zu helfen.« Marie drückte sich in eine Ecke und überlegte verzweifelt, was sie tun sollte. Einfach weglaufen und in den Terem zurückkehren wollte sie nicht, denn es war nicht ihre Art, in einer offensichtlich gefährlichen Situation die Hände in den Schoß zu legen. So tastete sie nach dem Dolch, den sie in die Tasche ihres Mantels geschoben hatte, um sich notfalls wehren zu können.
    Andrej aber folgte ihr nicht, sondern lachte bitter auf. »Helfen? Ha! Ich will auf Dimitris Thron pinkeln, das hat er nämlich verdient! Soll er sich doch fragen, welches dieser besoffenen Schweine es gewesen sein kann.«
    Während Andrej seinem übermächtig werdenden Harndrang freien Lauf ließ, schüttelte Marie nur den Kopf. Männer waren eine seltsame Gattung Mensch, die zu begreifen einer Frau wahrlich schwer fiel. Selbst ihr Michel hatte von Zeit zu Zeit auf eine für sie seltsame Weise reagiert. Doch jetzt war nicht die Zeit, über die Verrücktheiten der Männer zu philosophieren.
    Nachdem Andrej erleichtert grinsend sein Glied verstaut hatte, fasste sie wieder Mut, trat auf ihn zu und zupfte ihn am Hemd.
    »Herr, in der Stadt gehen eigenartige Dinge vor. Ich glaube, dort wird gekämpft!«
    Andrej begriff zunächst nicht, was sie da gesagt hatte, doch dann packte er sie bei den Schultern und schüttelte sie. »Was faselst du da?«
    »In der Stadt wird gekämpft! Ich habe das Klirren von Schwertern gehört und Schreie. Außerdem stehen unsere Wachen nicht auf ihren Posten.«
    »Unmöglich!« Andrej ließ Marie los und stieß sie von sich. Marie stolperte über einen der betrunkenen Schläfer und fiel zu Boden. Angeekelt von dem Gestank, der von dem Mann aufstieg, sprang sie auf und eilte zu einem der Fenster und stieß die Läden auf.
    »Hört doch selbst, Herr!«
    Jetzt waren die Geräusche ganz deutlich zu vernehmen und erklangen viel näher als vorher. Andrej eilte an ihre Seite und starrte in die helle Winternacht hinaus. Zunächst wollte er nicht glauben, was seine Ohren ihm meldeten. Dann stieß er einen Fluch aus, für den Pantelej ihn mit Fasten und Gebeten bestraft hätte. »Verdammt, was ist denn da im Gange? Los, aufwachen!«
    Er versetzte einigen der Schläfer heftige Fußtritte, doch außer missmutigen Lauten erreichte er nichts. Auch als er den Fürsten rüttelte, lallte dieser nur etwas, ohne aus seinem Rausch zu erwachen. Andrejs Flüche steigerten sich noch, und dann brüllte er schier den Palast zusammen.
    »Heh, aufwachen, Alarm, verdammt noch mal. Wollt ihr wohl aufwachen?«
    Es dauerte nicht lange, da kamen ein paar erschreckte Knechte zur Tür herein. Andrej packte einen von ihnen und schleppte ihn zum offenen Fenster. »Sieh nach, was in der Stadt los ist, und gib mir Bescheid.«
    »Ja, Herr«, antwortete der Knecht, machte aber keine Anstalten zu gehen.
    Andrej versetzte ihm einen Hieb mit der Faust. »Verschwinde endlich, du Hund! Und ihr anderen bewaffnet euch gefälligst. Wo stecken die Wachen und was ist mit der Garde des Fürsten?«
    »Die Soldaten haben ordentlich gebechert, aber nicht so schlimm wie die Tataren. Die haben nämlich den Branntwein nicht vertragen,

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