Das Vermächtnis der Wanderhure
dass dies unmöglich gewesen wäre. Der Kaiser hatte sie ihm bestimmt, und nun musste er die Suppe auslöffeln, die Sigismund ihm eingebrockt hatte.
Er wandte sich halb von Schwanhild ab und zwang sich mühsam, ruhig zu bleiben. »Dies hier ist meine Burg, und du wirst dich in die Gegebenheiten einfinden müssen. Versuche, freundlicher zu den Leuten zu sein, dann sind sie es auch zu dir. Es war ein Fehler von dir, Zdenka so schlecht zu behandeln, obwohl sie sich wirklich nichts hat zuschulden kommen lassen. Sie ist auf der Burg beliebt, und man nimmt es dir übel, dass du sie vertreiben wolltest.«
Schwanhild stiegen die Tränen in die Augen, als sie an den Streit mit der böhmischen Wirtschafterin dachte. Sie hasste dieses Weib, das mit ihrem Mann umging, als sei er ihresgleichen, und hatte es durch eine ihr genehme Person ersetzen wollen. Aber Michel schien einen Narren an dieser impertinenten Person gefressen zu haben. Zuerst hatte sie vermutet, die Böhmin sei seine geheime Bettmagd, doch in der Hinsicht konnte sie Michel nichts vorwerfen. Die einzige Frau, die er unter die Decke nahm,war sie, auch wenn er es nicht so oft tat, wie sie es sich wünschte. So aber waren die Augenblicke der Lust, die sie miteinander teilten, für sie nur Honigtropfen in einem Meer von Bitterkeit.
Michel sah seine Frau weinen und schüttelte den Kopf, denn er verstand nicht, warum Schwanhild so verbohrt sein musste. Es wäre ein Leichtes für sie gewesen, sich mit Zdenka auszusöhnen. Die Wirtschafterin war nicht nachtragend und hätte der neuen Herrin gerne gehorcht. Doch mit ihrer unnachgiebigen Haltung hatte Schwanhild nicht nur Zdenka von sich gestoßen, sondern sich sämtliche alten Freundinnen von Marie zu Feinden gemacht. Mariele und Anni mussten niedere Magddienste leisten, und die schwarze Eva und Theres, die ehemaligen Marketenderinnen, durften den Palas nicht mehr betreten und schliefen nun im Stall bei den Ziegen und Kühen. Schwanhild hatte sich auch umgehend mit Michi angelegt, der knapp vor Ausbruch des Winters auf Kibitzstein erschienen war. Dabei hatte der Junge, der erst hier von Maries Tod erfahren hatte, nur seine Trauer zum Ausdruck gebracht.
Wäre es in Michels Macht gelegen, hätte er Schwanhild zu ihrem Vater zurückgeschickt. Aber damit hätte er höchstwahrscheinlich eine Fehde vom Zaun gebrochen und sich Sigismund zum Feind gemacht. So blieb ihm nur zu hoffen, seine Frau würde mit der Zeit etwas Vernunft annehmen. Danach sah es im Augenblick jedoch nicht aus, denn ihre Stimme nahm erneut an Schärfe zu.
»Du bist ein Narr, Michel Adler! Wie kannst du zulassen, dass das Gesinde mir, deiner Gemahlin, auf der Nase herumtanzt? Deine Burg und dein ganzer Besitz werden noch an deiner Dummheit zugrunde gehen! Doch was kann man von einem Wirtsschwengel anderes erwarten? Gleich zu Gleich gesellt sich gern, heißt es. Wie konnte der Kaiser nur so einen armseligen Kerl zum Ritter des Heiligen Römischen Reiches schlagen? Statt wenigstens zu versuchen, dich deinem neuen Stand gemäß zu benehmen,hast du auch noch einen tumben Bauernbengel zu deinem Knappen ernannt. Bei Gott, das ist doch der Gipfel der Narretei! Schick diesen frechen Burschen samt seiner Schwester zu seinen Eltern zurück, und du wirst sehen, wie friedlich es bei uns auf Kibitzstein sein wird.«
Ganz Unrecht hatte sie nicht, das war Michel klar, denn Mariele trug ein gerüttelt Maß Schuld daran, dass seine Frau vom Gesinde nicht anerkannt wurde. Doch wenn er Schwanhild nur in einem Punkt nachgab, würde sie ihre Forderungen immer höher schrauben, bis er zuletzt nur noch ein Knecht ihrer Launen war. Dazu war er nicht bereit.
»Michel und Mariele bleiben, und zwar in der Position, die ich als richtig erachte.«
»Schick sie fort und nimm den edel geborenen Sohn eines Nachbarn als Knappen auf!« Schwanhild war ebenso wenig bereit, nachzugeben. Als Michel nicht auf ihre Worte reagierte, packte sie ihn am Wams und versuchte, ihn zu schütteln. »Verstehst du mich nicht? Ich bin hier die Burgherrin, und ich will es so!«
»Und ich will es nicht! Michel und Mariele sind die Kinder der besten Freundin meiner Marie und überdies meine und Maries Patenkinder, für die ich vor Gott und den Menschen eine Pflicht zu erfüllen habe. Finde dich damit ab und versuche so zu werden, wie meine erste Frau war.«
»Eine Hure, die sich von jedem geilen Bock stoßen lässt?«
Die Worte waren Schwanhilds Mund kaum entflohen, da schlug eine dunkle Wolke über
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