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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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machte, sondern stolz in Eisen gewappnet neben den anderen Recken einherschritt.
    Andrej begriff in diesem Moment das Ausmaß des Verrats und weinte vor Wut über die Falschheit der Männer, die er für seine Freunde gehalten hatte. Nun konnte er nicht mehr für seinen einstigen Freund Dimitri tun, als Anastasia und seinen Sohn zu retten. Da die Angreifer sich als Herren der Lage fühlten und nur wenig Vorsicht walten ließen, erreichte er unbehelligt sein Pferd, schwang sich in den Sattel und ritt los. Die Pforte in der Kremlmauer stand weit offen, und als er durch die Stadt ritt, huschten die wenigen Menschen, die sich außerhalb ihrer Häuser sehen ließen, beim Knirschen des Schnees unter den Hufen seines Pferdes davon. Zu seiner Erleichterung hatte der Feind das Südtor von Worosansk noch nicht besetzt, und als er das freie Land erreichte, schöpfte er Hoffnung, mit den Frauen und dem Popen entkommen zu können. Er kannte die Gegend um Worosansk besser als den Inhalt seines Geldbeutels, und als er der schon von Schnee bedeckten Spur der anderen Pferde folgte, schmiedete er Pläne, wie er die Verfolger, die sich mit Sicherheit auf seine Spur setzen würden, täuschen konnte.

VI.
     
    L awrenti warf einen zufriedenen Blick auf die betrunkenen Schläfer in der Halle. Die meisten hätten seinen Plänen gefährlich werden können, doch der Branntwein hatte sie sicherer gefällt als jedes Schwert. Während Waffenknechte frisch angezündeteFackeln in die Halterungen an den Wänden stellten, trat er auf den Anführer der Moskauer zu und grinste.
    »Die Sache ist noch einfacher vonstatten gegangen, als ich es mir vorgestellt hatte, Boris Romanowitsch. Dimitri war ein Narr, seine Stadt so nachlässig bewachen zu lassen.«
    »Es war gut vorbereitet!«, wandte Grischa Batorijewitsch ein. Der ehemalige Händler machte keinen Hehl daraus, dass er sich den anderen nun gleichrangig fühlte. Dem Willen Wassilis zufolge würde er eine bedeutende Stellung am Hofe des neuen Fürsten Jaroslaw einnehmen und wollte dies von Anfang an kundtun.
    »Gut vorbereitet und gute Schwertarbeit, auch von dir und deinen Leuten, Lawrenti Jurijewitsch. Hättet ihr nicht das Haupttor der Stadt für uns geöffnet, ohne dass die Wachen Alarm schlagen konnten, wären wir auf weitaus stärkere Gegenwehr gestoßen.«
    Boris Romanowitsch nickte Lawrenti anerkennend zu und übersah Grischa Batorijewitsch geflissentlich, denn der Methändler war für ihn ein dreister Emporkömmling ohne Lebensart, ein Mann, dessen man sich bediente, um zu siegen, und den man mit ein paar Brosamen abspeiste. Mehr würde der Rang, den Grischa Batorijewitsch als einer der Berater Jaroslaws hier in Worosansk einnehmen würde, auch nicht darstellen. Die Befehle wurden in Moskau erteilt, und Jaroslaw von Worosansk hatte zu gehorchen. Tat er es nicht, würde einer der Moskauer Bojaren als neuer Herr seinen Einzug hier halten, und Romanowitsch hoffte, der neue Fürst von Worosansk würde so viele Fehler machen, dass er ihn beerben konnte.
    Der Bojar wandte sich an seine Krieger, die bereits zu plündern begannen, und stauchte sie zusammen. »Verdammte Hunde, lasst das! Seht lieber zu, dass ihr die Fürstin findet! Bringt sie hierher, und zwar zusammen mit ihrem Balg.«
    Während die Männer verschwanden, strich Lawrenti nervös über seinen Bart. »Es wäre nicht gut, die Fürstin zu harsch zu behandeln.Sie stammt aus der Kaiserfamilie des Oströmischen Reiches, und wir sollten den Basileios nicht erzürnen.« Auch Lawrenti wusste, dass die glorreiche Zeit Konstantinopels längst Geschichte war und die Stadt sich kaum mehr den Zugriffen ihrer osmanischen Nachbarn erwehren konnte. Doch für Boris Romanowitsch war Konstantinopel immer noch das Zentrum des Glaubens und damit heilig. »Keine Sorge, Lawrenti Jurijewitsch. Fürstin Anastasia ist bei uns in sicheren Händen. Sie wird als geehrter Gast des Großfürsten in Moskau leben, und ihr Sohn soll so erzogen werden, wie es sich für einen Nachkommen des großen Rurik und Wladimirs des Heiligen gebührt.«
    Dem Bojaren war klar, dass der kleine Wladimir nach dem Willen des Großfürsten in ein Kloster gesteckt werden würde, um als Mönch Gott zu dienen. Dieses Schicksal würde auch seine Mutter ereilen, denn Wassili II. konnte nicht wagen, sie mit einem seiner Gefolgsleute zu vermählen. Das byzantinische Blut in ihr war von Gott besonders gesegnet und würde jeden der zahlreichen Nachkommen Wladimirs des Heiligen dazu bringen, den

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