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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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zurückgelassen hatten, denn bis dorthin reichte der Arm des Moskauer Großfürsten. Nun kamen sie in das Gebiet der Tataren, die er weniger fürchtete, weil er hoffte, sich mit diesen einigen zu können. Immerhin hatte er als Knabe jahrelang bei ihnen gelebt und dabei Freunde gewonnen, die ihm jetzt vielleicht helfen würden.
    Der Ritt forderte Menschen und Tieren alles ab, und doch musste Andrej sich sagen, dass eine Schar Männer die Strapazen nicht besser hätte durchstehen können als seine Begleiterinnen, die sich den Gegebenheiten klaglos anpassten. So gelang es Alika, die am meisten unter der Kälte litt, Wladimir und Lisa mit Fleisch zu füttern, das sie ihnen vorkaute und in kleinen Portionen in die Münder steckte. Die Kinder nahmen die Kost erstaunlich gut an und blieben zu Andrejs Überraschung ebenso von Krankheiten verschont wie Anastasia, die in Worosansk unter allen möglichen Übeln gelitten hatte. Der junge Edelmann streifte die Fürstin mit anerkennenden Blicken, auch wenn er Marie und den beiden anderen Frauen nicht das Verdienst absprach, Anastasia mit ihrem beherzten Verhalten ein gutes Beispiel zu geben. Selbst der Pope hielt sich weitaus besser, als es zu Beginn der Flucht ausgesehen hatte.
    Kaum war Tula hinter dem Horizont versunken, hob Pantelej den Kopf in den Wind und schnupperte vernehmlich. »Ichglaube, es wird wärmer, Andrej Grigorijewitsch. Da wird uns das Reiten leichter fallen.«
    Andrej hatte den warmen Lufthauch ebenfalls gespürt und zog die Mundwinkel nach unten. »Ich hoffe, es wird nicht so warm, dass der Schnee schmilzt und den Boden in Schlamm verwandelt. Der würde unser Weiterkommen weitaus stärker behindern als der Schnee, und wenn es dann noch regnet, werden die Frauen erkranken.«
    »Ich gewiss nicht!«, rief die Fürstin kämpferisch.
    Marie seufzte. »Schade, dass ich die meisten meiner Kräuter und Säfte zurücklassen musste und nichts besitze, was gegen Erkältung hilft. Wenn Alika nicht die Tinkturen und Salben mitgenommen hätte, die wir für die Kinder brauchen, sähe es auch jetzt schon böse aus.«
    Während des Gesprächs lenkte sie ihr Pferd näher an Andrejs Hengst und hob bedeutungsvoll die Augenbrauen.
    »Wir haben Gesellschaft bekommen, Herr!«
    Andrej zuckte zusammen. »Gesellschaft? Wo?«
    »Etwas seitlich hinter uns, keinen ganzen Werst entfernt.«
    »Ich hoffe, es sind nicht die Moskowiter, die uns doch noch entdeckt haben.« Andrej blickte vorsichtig in die Richtung, die Marie ihm gewiesen hatte, und sah die Reiter nun ebenfalls. Im ersten Augenblick atmete er erleichtert auf, denn es handelte sich um Tataren. Soweit er erkennen konnte, waren es zehn Reiter, die wohl zu einer winterlichen Jagd aufgebrochen waren und nun ein ganz besonderes Wild aufgestöbert hatten. Selbst auf die Entfernung war zu sehen, dass sie ausgezeichnete Pferde ritten, und es wäre auch für einen Trupp russischer Krieger kaum möglich gewesen, ihnen zu entkommen. Mit den Frauen war es ausgeschlossen. Daher beschloss Andrej, den Stier bei den Hörnern zu packen, und lenkte sein Pferd auf die Tataren zu.
    Pantelej versuchte, ihn aufzuhalten. »Bei Gott, du willst doch nicht etwa zu diesen Teufelsknechten gehen?«
    »Wollen gewiss nicht, aber müssen. Wir befinden uns auf ihrem Land und sollten die Höflichkeit besitzen, sie zu begrüßen und zu bitten, uns passieren zu lassen.« Als Andrej seinen abgemagerten Hengst antrieb, schlug der Pope das Kreuz und stimmte ein Gebet an, in das Gelja sofort einfiel. Die Fürstin stieß ihrer Stute die Fersen in die Weichen und folgte Andrej so rasch, als habe sie Angst, allein gelassen zu werden.
    Andrej zügelte sein Tier knapp vor den Tataren und hob die Hand zum Gruß. Ein schneller Blick verriet ihm, dass sich niemand darunter befand, den er kannte. »Freundschaft!«, sagte er, als sein Gruß nicht beantwortet wurde.
    »Kein Russe Freund von Tatar!«, antwortete einer der Männer in grauenhaftem Russisch.
    Andrej stöhnte innerlich auf. Das hörte sich ganz so an, als hätte es in letzter Zeit ein größeres Scharmützel zwischen seinen Leuten und den Tataren gegeben, bei dem diese zumindest nicht Sieger geblieben waren.
    »Ich bin ein Freund der Tataren«, erklärte er mit Nachdruck.
    »Ich habe mehrere Jahre bei euch gelebt und Bruderschaft mit tapferen tatarischen Jünglingen geschlossen. Ich bin Andrej Grigorijewitsch aus Worosansk, ein Gefolgsmann Fürst Dimitris, eines Freundes und Verbündeten von Terbent Khan!«
    »Fürst

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