Das Vermächtnis der Wanderhure
niederließ und die fadenscheinige Decke über sie beide zog, vermochte er sogar ein wenig zu lachen.
»Die Gastfreundschaft in der Stadt Terbent Khans hat arg nachgelassen, seit ich das letzte Mal hier war. Damals brauchte ich in der Nacht nicht zu frieren, und man ließ mich auch nicht hungrig zu Bett gehen.«
»Der Glaube an Gott ist die beste Nahrung«, antwortete Pantelej salbungsvoll. Doch er vermisste das Nachtmahl ebenso wie der Recke und konnte nur hoffen, dass es den Frauen besser erging als ihnen.
XIII.
D er nächste Morgen begann mit einer Überraschung. Andrej und der Pope wurden durch mehrere Sklaven geweckt, die reichlich zu essen hereintrugen. Auch erhielt Andrej seine Waffen zurück, die man ihm am Vortag abgenommen hatte.
Während er einen Bissen aß, wandte er sich staunend an Pantelej. »Deine Gebete sind stark, erhabener Vater. Es sollte mich nun nicht mehr wundern, wenn Terbent Khan uns weiterreisen lässt.«
»Oder er schickt uns nach Moskau, um sich die Gunst des Großfürsten zu erwerben.«
Der Pessimismus des Priesters vermochte weder Andrejs Erleichterungnoch seine Hoffnung zu dämpfen. »Dann hätte man mir nicht mein Schwert zurückgegeben.«
Andrej strich zärtlich über die silberbeschlagene Scheide und vergaß vor lauter Freude beinahe das Essen. Das Fladenbrot und der Reis mit Hammelfleisch dufteten jedoch allzu verlockend und schmeckten nach der knappen Kost der Flucht geradezu himmlisch. Daher kauten die beiden Männer noch mit vollen Backen, als sich tatarische Krieger vor der Hütte aufbauten.
»Terbent Khan will euch sehen!«
»Dann sollten wir ihn nicht warten lassen.« Andrej steckte ein letztes Stück Fladenbrot in den Mund und wischte sich die Hände mangels anderer Möglichkeiten an seinen Hosen sauber. Danach rückte er seinen Schwertgurt zurecht und folgte den Tataren zur Halle des Khans. Pantelej schlich leicht geduckt hinter ihm her, als fürchte er, von den Heiden direkt ins Himmelreich geschickt zu werden.
Auch Terbent Khan war gerade beim Essen. Sklaven hielten ihm mehrere große Holzteller hin, von denen er sich bediente. Er unterbrach seine Mahlzeit nicht, als die beiden Russen zu ihm gebracht wurden, sondern warf ihnen nur einen beiläufigen Blick zu und griff nach einem gerollten Stück Fladenbrot, das mit Hammelpilaw gefüllt war.
»Ruhm und Ehre dem großen Terbent Khan!« Andrej verbeugte sich und wartete gespannt auf die Reaktion des Tataren. Der Khan biss genüsslich in sein Fladenbrot, ließ sich einen Becher mit Tee reichen und trank ihn schlürfend. Dann erst wandte er sich Andrej und dem Popen zu.
»Ich habe beschlossen, euch freizulassen, denn ihr seid Gefolgsleute meines Freundes Dimitri gewesen und auf der Flucht vor seinen Mördern.«
Das ist ein erfreulicher Anfang, fuhr es Andrej durch den Kopf. Der Khan blickte scheinbar uninteressiert über ihn hinweg. »Heute werden wir der Toten gedenken, die im Kampf um Worosanskgefallen sind, sowohl der Tataren wie der braven Russen, die das Schicksal meines Freundes Dimitri teilen mussten. Morgen könnt ihr weiterreiten. Ich gebe euch Männer mit, die euch nach Tana begleiten. Die Franken, die dort leben, werden euch von dort nach Konstantinopel bringen.«
Andrej fiel bei diesen Worten ein Stein vom Herzen. Er kannte Terbent und wusste, dass dieser Wort halten würde. Tana zählte neben Kaffa zu den Stützpunkten der Genuesen, die von dort aus Handel mit Asien und den Steppenvölkern trieben. Waren sie erst einmal in dieser Hafenstadt, konnten nur noch widrige Winde oder ein Sturm sie daran hindern, Anastasias Heimat zu erreichen. Er verbeugte sich erneut vor dem Khan und konnte dabei seine Gefühle kaum mehr unterdrücken.
»Ich danke dir, edler Khan. Du wirst mir stets als großmütiger Freund und Beschützer in Erinnerung bleiben. Möge Gott dich und die Deinen beschützen und dir viele tapfere Söhne bescheren.«
»Allah ist groß und wird meinen Schwertarm stählen, Andrej aus Worosansk, und auch den deinen. Doch nun setze dich, trinke einen Becher Kumys, um die Toten zu ehren, und dann unterhalten wir uns über die alten Zeiten, in denen ich dir beigebracht habe, wie man einen Säbel hält und den Pfeil von der Sehne schnellen lässt.« Terbent lachte dabei unbeschwert auf und winkte Andrej, auf einem Schaffell in der Nähe seines eigenen Sitzes Platz zu nehmen.
Pantelej aber wurde von einem Diener des Khans in die hinterste Reihe gescheucht. Trotzdem schloss der Priester ihren
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