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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Gastgeber mit in sein Dankesgebet ein. Er kannte die Tataren bisher nur aus Erzählungen und den Erfahrungen, die er mit Dimitris Leibwächtern gemacht hatte. Terbent Khan und seine Gefolgsleute erschienen ihm weniger roh als jene Wölfe in Dimitris Diensten. Sie traten als Männer von Ehre auf, denen das Gastrecht heilig war. Er dankte Gott und den Heiligen der russischen Kirche austiefster Seele, dass Andrej, er und die Frauen nun als Freunde galten.
    Während der Priester sich in seine stummen Gebete vertiefte, unterhielt Andrej sich mit dem Khan und wunderte sich, weil Maries Name mehrmals fiel. Irgendwie schien die Kräuterfrau aus dem Westen viel mit Terbents Stimmungsumschwung zu tun zu haben, und allmählich fand er heraus, dass diese eine Freundin der Hauptfrau des Khans sein musste. Für Andrej hörte sich das an wie eine Fabel, doch den Worten seines Gastgebers zufolge galt die als Amme gekaufte Sklavin hier im Lager mehr als Anastasia, obwohl diese die Witwe Fürst Dimitris und die Nichte des oströmischen Kaisers Johannes VIII. war. Ein kurzer Anflug von Ärger über die Zurücksetzung der Fürstin hinter eine armselige Fremde überfiel Andrej und verflog ebenso schnell wieder, denn er war Marie für ihren unerwarteten Einfluss auf den Khan mehr als dankbar und schwor sich bei seiner Ehre, dafür zu sorgen, dass sie in Zukunft keine Sklavin mehr sein würde, sondern Anastasias hoch geachtete Dienerin und Freundin. Das hatte sie sich redlich verdient.

XIV.
     
    I n der folgenden Nacht mussten Andrej und der Pope zwar in der gleichen Hütte schlafen, doch man hatte ihnen dickere Teppiche und warme Pelze hineingelegt. Am nächsten Morgen bekamen sie ein reichliches Frühstück serviert, dann brachten zwei Krieger sie auf den Platz vor der großen Halle, auf dem ihre Pferde schon gesattelt standen, und geleiteten sie vor den Khan. Terbent begrüßte sie und wies dann auf einen kleinen Knaben, der mit verängstigtem Gesicht neben ihm stand. »Dieses Kind wird mit euch gehen. Die Frau unter euch, die sich Marie nennt, wird sich um ihn kümmern und ihn in ihre Heimat mitnehmen.«Das klang so bestimmt, dass Andrej die Hände unten halten musste, um sich nicht am Kopf zu kratzen. Wie mochte es nur kommen, dass eine Sklavin aus dem Westen einen Einfluss auf den Khan ausübte, den ein Mann seiner Statur höchstens seiner Favoritin erlaubte. Dies war ebenso ein Rätsel für Andrej wie die Frage, was die Fremde mit diesem Jungen zu tun hatte. Das Kind trug tatarische Tracht mit gefütterten Hosen, Pelzkaftan und eine Pelzmütze, wirkte darin aber so bleich, als sei es krank. Auch war der Knabe viel zu klein für eine so weite Reise. Es war schon schwierig genug, Wladimir und die Tochter der Amme zu versorgen, und da war ein drittes Kind, das die Pflege der Mägde beanspruchte, einfach zu viel. Er wollte schon ablehnen, doch ein Blick in Terbents Miene ließ es ihm geraten erscheinen, den Mund zu halten.
    »Ich werde euch zwanzig Reiter mitgeben, damit ihr sicher reisen könnt.« Die Stimme des Khans klang so gleichmütig, als interessiere es ihn nicht weiter, was mit Andrej und dessen Begleitern geschehen würde. Doch als die versprochene Eskorte erschien, ließ er die Männer bei Allah und dem Barte des Propheten schwören, die ihnen anvertrauten Russen zu beschützen und unversehrt an ihr Ziel zu bringen. Das zeigte Andrej, wie wenig der Khan seinen Leuten vertraute. Der Eid würde die Männer daran hindern, die Reisenden auszurauben und sich danach einer anderen Tatarengruppe anzuschließen.
    Der Anführer der Geleitmannschaft trat nach der Eidesleistung auf Andrej zu und schob seine Mütze ein wenig zurück. Dabei entpuppte er sich als einer der Freunde, die Andrej während seiner Zeit als Geisel hier gewonnen hatte. »Jetzt reiten wir doch noch einmal zusammen, Brüderchen!«
    »Das freut mich ebenso wie dich, Freund Gudaj! Sei versichert, diese Reise wird nicht ohne Lohn für dich und deine Kameraden bleiben.« Andrej umarmte Gudaj erleichtert und verabschiedete sich von Terbent Khan.
    Erneut tat dieser so, als berühre ihn das Ganze nicht, doch man konnte ihm anmerken, dass er mit seiner Entscheidung zufrieden war. Andrej hatte sich während seines Aufenthalts im Lager seine Achtung erworben, und daher schmeichelte es seinem Ehrbegriff, ihn unbehelligt ziehen lassen zu können. Gleichzeitig entledigte er sich mithilfe dieser Gruppe eines Ärgernisses, das ihm schon lange ein Dorn im Auge gewesen war. Er

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