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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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nur noch eine kurze Schiffsreise nach Konstantinopel vor uns, und wir sind endlich in Sicherheit!«

SIEBTER TEIL
     

Die Schatten der Vergangenheit

I.
     
    D ie Herrin war schwanger. Anstatt die freudige Nachricht zu bejubeln, streiften die Menschen auf Kibitzstein Frau Schwanhilds gewölbten Leib mit fragenden Blicken. Hinter vorgehaltener Hand wurde getuschelt, nicht der Ehemann sei der Vater des Kindes, sondern Junker Ingold von Dieboldsheim. Vor allem diejenigen, die Marie näher gekannt und verehrt hatten, zerrissen sich die Mäuler, und niemand tat es mit schärferen Worten als Maries Patenkind Mariele. Auch an diesem Tag stand das Mädchen mit der schwarzen Eva, Theres und Anni in einem Winkel des Burghofs und redete eifrig auf die anderen ein.
    »Es ist eine Schande, sage ich euch! Diese Schwanhild betrügt unseren armen Michel nach Strich und Faden. Ich habe euch doch schon erzählt, wie ich sie mit dem Junker auf der Burgmauer beobachtet habe. Dort haben sie sich vor aller Augen umarmt.«
    »Vor aller Augen gewiss nicht, denn ich habe es nicht gesehen.« Eva, die ehemalige Marketenderin, wiegte bedenklich den Kopf. Ihre Geste galt sowohl dem Verhalten der Herrin wie auch Marieles hasserfülltem Eifer, diese schlechtzureden. Selbst wenn der Verdacht stimmen sollte, so war die Stimmung in der Burg derzeit nicht danach, es zu laut hinauszuposaunen.
    So sah es auch Michi, Marieles Bruder, der sich nun zu der Gruppe gesellte. »Sei still, Schwester! Wenn die Herrin erfährt, was du über sie erzählst, lässt sie es dich ausbaden.«
    Mariele winkte mit einem bösen Lachen ab. »Es ist die Wahrheit! Ich habe sogar noch mehr gesehen als diese eine Umarmung. Nur zwei Wochen bevor die Schwangerschaft bekannt gegeben wurde, bin ich an Schwanhilds Kemenate vorbeigekommen und habe Junker Ingolds Stimme gehört. Da habe ich durchs Schlüsselloch geschaut und konnte die beiden deutlich sehen. Sie stand obenherum nackt am Kamin, und der Junker hat ihre Brüste geküsst.«Dieser Hieb saß. Eva stieß einen unanständigen Fluch aus, den sie noch aus ihrer Marketenderinnenzeit kannte, und Mariele blickte die anderen triumphierend an.
    Michi schüttelte den Kopf über die Verbissenheit, mit der seine Schwester der Herrin und dem Junker nachspionierte. »Ich sage es dir noch einmal: Sei still! Das ist eine Sache zwischen Herrn Michel und seiner Gemahlin. Uns geht das Ganze nicht im Geringsten an.«
    »Das musst ausgerechnet du sagen! Herr Michel hat dich zuerst zu seinem Knappen gemacht und dir damit die Chance gegeben, vielleicht sogar einmal ein echter Ritter zu werden. Dann hat diese Metze da oben dafür gesorgt, dass er dich beiseite geschoben hat. Jetzt nimmt ein Lümmel aus ihrer Verwandtschaft den Platz ein, der eigentlich dir zusteht.«
    Damit traf Mariele Michis wundesten Nerv. Er verzog das Gesicht, als habe er Zahnschmerzen, und die Mienen der Umstehenden verfinsterten sich. Anni schien Tränen nach innen zu weinen und wurde sofort getröstet, denn alle wussten, dass Landulf, Michels neuer Knappe, ihr mit nicht enden wollender Ausdauer nachstellte. Der Kerl hatte sogar schon Drohungen gegen sie ausgestoßen, weil sie ihm nicht zu Willen war.
    »Herr Michel hat seiner zweiten Frau in letzter Zeit zu viel nachgegeben. Seit Zdenka nicht mehr Wirtschafterin auf der Burg ist, sondern mit Reimo und Karel zusammen auf einen Pachthof abgeschoben wurde, sind wir arme Hunde. Schwanhilds frühere Kindsmagd Germa bildet sich wer weiß was darauf ein, dass sie nun den Schlüsselbund trägt, und teilt uns und dem Gesinde Nahrung und Kleidung so mager zu, als müsste sie die Sachen aus eigener Tasche bezahlen.«
    Theres spie wütend aus, denn weder in der kurzen Zeit, die Marie hier auf der Burg gelebt hatte, noch in Zdenkas Zeit hatten sie und Eva darben müssen.
    Eva bog ihre knochigen Finger zu Krallen. »Diese Germa behandeltuns wie unnütze Fresser! Dabei haben Theres und ich uns Trudis angenommen und das Kind behütet, als Marie in Böhmen verschollen war. Ich habe mir Ende des Winters schon ernsthaft überlegt, ob ich lieber wieder meinen Wagen anspannen und mich einem Heerzug anschließen soll. Es wäre auf jeden Fall ein besseres Leben, als ich es hier führe.«
    »Das kannst du laut sagen!«, stimmte Theres ihr zu. »Seit Michel seiner Frau erlaubt hat, ihre Leute auf die Burg zu holen, weht hier ein arg scharfer Wind. Gäbe es Trudi nicht, die von diesem Gesindel schlecht behandelt wird, hätte ich Kibitzstein

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