Das Vermächtnis der Wanderhure
als der gesamte Schmuck, den die Griechen in diesem Raum zu zeigen vermochten.
»Mein erhabener Herr, Sultan Murad, entbietet dir, Ioannis vonKonstantinopel, seine Grüße.« Die Stimme Malwan Paschas klang so hochmütig, als hätte er es mit einem lehnspflichtigen Untertan zu tun. Wäre er so vor Kaiser Sigismund aufgetreten, hätten dessen Gefolgsleute ihn für diese Unverschämtheit in Stücke gehauen. Doch im Gegensatz zum Herrn des Oströmischen Reiches vermochte Sigismund noch Heere aufzustellen, die in der Lage waren, den Türken Widerstand zu leisten.
Ein leises Murmeln aus einer dunklen Ecke lenkte Maries Aufmerksamkeit ebenso wie die des Türken auf sich. Gleich darauf trat Konstantinos Dragestes aus dem Schatten und musterte den Pascha herausfordernd. »Mein erhabener Bruder beherrscht weitaus mehr als diese Stadt, mein Freund. Oder solltest du vergessen haben, wessen Banner über dem Peloponnes weht?«
Der Türke drehte sich zu dem kaiserlichen Feldherrn um, ging auf ihn zu und umarmte ihn lachend. »Wie sollte ich vergessen, wer dort herrscht? Spricht man doch auch am Hofe meines erhabenen Herrn von den Waffentaten, die du dort vollbracht hast. Ich glaubte nur, es wäre dein Herzogtum. Doch nun sehe ich, dass der Bär immer noch dem Lamm dient.« Ein fast beleidigender Blick streifte dabei den Kaiser.
Marie sah den Grimm auf Konstantinos Dragestes’ Gesicht und begriff, wie schwer es dem Mann fiel, sich zu beherrschen. Er klopfte dem Türken auf die Schulter und lachte misstönend. »Ihr Türken mögt immer dem stärksten Häuptling nachlaufen, doch wir halten unsere Traditionen in Ehren. Solange Konstantinopel Bestand hat, werden wir dem Reich und seinem jeweiligen Kaiser mit all unserer Kraft dienen.«
Der Zeremonienmeister begriff, dass die Audienz des Türken beim Kaiser in ein längeres Gespräch mit Prinz Konstantinos auszuufern drohte, räusperte sich und bat Malwan Pascha, weiterzugehen. Dieser packte Konstantinos ungeniert beim Ärmel und zog ihn mit sich.
»Komm, mein Freund, lass uns miteinander reden. Ich würdegerne wissen, auf welche Art du die letzten Burgen der Franken erobert hast.«
»Um dieses Wissen dann gegen uns zu verwenden?« Dragestes’ Antwort klang spöttisch, doch er folgte dem Pascha ohne Widerstreben in einen anderen Raum.
Nun wurden Gäste vor den Kaiser geführt, bei deren Anblick Marie zusammenzuckte. Es waren Russen, und unter ihnen befanden sich Andrejs Onkel Lawrenti und Sachar Iwanowitsch. Der Bojar musste seine kurzzeitige Rebellion gegen Großfürst Wassili rasch aufgegeben und sich wieder auf dessen Seite gestellt haben. Marie nahm an, dass er einige von Wassilis Feinden an den Großfürsten verraten hatte, anders konnte sie es sich nicht erklären, wieso der Mann sich wieder in der Gunst des Moskowiters sonnte. Jetzt stand er breit und wuchtig vor dem Thron und versuchte die übrigen Mitglieder der Delegation allein durch seine Körperfülle auszustechen.
Ein Priester übersetzte das, was gesprochen wurde, vom Russischen ins Griechische und wieder zurück. Dabei schweifte Lawrentis Blick mehrfach zu ihnen herüber. Seiner Miene war nicht zu entnehmen, was er dachte, aber Sachar Iwanowitsch beherrschte sich weniger gut, denn jedes Mal, wenn er zu Andrej herüberblickte, funkelte Hass in seinen Augen.
»Wir müssen uns mit unserer Flucht beeilen«, raunte Marie Anastasia zu. Diese konnte nicht mehr antworten, denn der aufmerksame Zeremonienmeister winkte die Russen weiter und rief nun Maries Gruppe vor den Thron. Während Anastasia vor dem Kaiser in die Knie sank, knickste Marie so, wie sie es von zu Hause gewöhnt war. Johannes’ dunkle Augen weiteten sich für einen Augenblick, dann richtete er mitfühlende Worte an die Fürstin, in denen er ihr Schicksal bedauerte und sie seiner Unterstützung versicherte. Es klang wie auswendig gelernt und ohne Kraft, daher fand Marie sich in ihrer Annahme bestätigt, Anastasia dürfe nicht auf die Hilfe des Kaisers bauen.
Auch Andrej wurde mit ein paar freundlichen Worten bedacht, in denen Johannes zum Ausdruck brachte, dass er den Recken gerne als Gefolgsmann seines Bruders auf dem Peloponnes sehen würde. Doch auch hier fehlte in Maries Augen der Nachdruck, ihr schien fast, als sei Anastasias und Andrejs Anwesenheit dem Kaiser lästig. Sie stellten für ihn ein Problem dar, das er am liebsten weit von sich geschoben hätte.
Eine schwache Handbewegung seines Herrn veranlasste den Zeremonienmeister, Anastasia und
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