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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Gesandtschaften, die an die Tische gebeten wurden. Die einen waren unzweifelhaft Lateiner, denn sie trugen enge Hosen und hüftlange Tuniken oder Wämser und hatten Kappen und Mützen jener Art aufgesetzt, die Marie von zu Hause kannte.
    Auffallend war der Mangel an Frauen. Außer ihr und Anastasia waren zwar noch andere Personen weiblichen Geschlechts vor Kaiser Johannis geführt worden, doch diese hatten unter den wachsamen Augen des Zeremonienmeisters und seiner Helfer die Räumlichkeiten sofort nach der Audienz verlassen müssen. Den Blicken zufolge, mit denen die Bewahrer der höfischen Riten Marie und die Fürstin streiften, hätte man sie ebenso schnell wieder hinauskomplimentiert, wäre es ihnen nicht von höherer Stelle verboten worden. Marie nahm an, dass Prinz Konstantinos dahintersteckte, wusste aber nicht, ob er aus einer Laune heraus gehandelt hatte, um ihr für den gestrigen Schrecken Genugtuung zu verschaffen, oder weil er mit Andrej im privaten Rahmen sprechen wollte. Sollte dies seine Absicht gewesen sein, so machte die Anwesenheit des türkischen Paschas sie zunichte.
    Trotzdem war Marie kurz davor, Dragestes anzusprechen und ihn zu fragen, ob er Anastasia und deren Kindern und damit auch ihr die Möglichkeit verschaffen könne, Konstantinopel zu verlassen. Da seufzte die Fürstin plötzlich tief auf, rutschte unruhig auf ihrem Platz hin und her und kniff zuletzt die Lippen zusammen. Schließlich fasste sie Marie an der Schulter.
    »Wir sollten gehen! Ich muss mich dringend erleichtern.« Obwohl sie es nur flüsterte, verstand Konstantinos, was sie bedrückte, und winkte einen Diener heran, der Anastasia zu dem entsprechenden Gemach bringen sollte. Dann setzte er das Gespräch mit Andrej und dem Türken fort.
    Marie überlegte, ob sie der Fürstin folgen und ebenfalls den Abtrittbenützen sollte. Doch bis sie sich entschlossen hatte, waren Anastasia und der Diener bereits verschwunden. Verärgert, weil sie die Gelegenheit versäumt hatte, nippte sie an dem süßen Fruchtgetränk, das man ihr aufgetischt hatte. Da sie den Saft der herberen Früchte aus ihrer Heimat gewöhnt war, brachte sie das klebrige Zeug kaum über die Lippen. Auch der süße schwere Wein schmeckte ihr nicht. Daher hätte sie am liebsten um Wasser gebeten, doch sie wusste aus leidvoller Erfahrung, dass nur wenige Brunnen in der Stadt einwandfreies Trinkwasser lieferten. Erst vor ein paar Tagen hatte Gelja sich einen fürchterlichen Durchfall zugezogen, und den wollte sie nicht am eigenen Leib erleben.
    Nach einer Weile sah sie sich um und fragte sich, wo Anastasia blieb. So weit entfernt konnte der Abtritt unmöglich sein. Der Gedanke, dass hier im Palast jemand der Fürstin zu nahe treten und sie bedrängen könnte, erschien Marie zunächst abwegig. Doch als der Diener, der Anastasia begleitet hatte, allein zurückkehrte, verstärkte sich in ihr das Gefühl, dass ihnen hier Gefahr drohte.
    Der Mann blieb vor Andrej stehen und verbeugte sich. »Verzeih, Herr, doch die Fürstin ergeht sich ein wenig in den Gärten des Palastes und bittet dich, ihr Gesellschaft zu leisten.«
    Andrej stand sofort auf und bat Konstantinos und den Türken, ihn zu entschuldigen. Während er dem Diener folgte, schüttelte Marie unwillig den Kopf. Sie hatte Anastasia inzwischen zu gut kennen gelernt, um zu wissen, dass sie niemals einen Mann zu einem Stelldichein rufen lassen würde, selbst wenn es sich um Andrej handelte. Daher erhob sie sich und lief, ohne auf die fragenden Blicke des Prinzen zu achten, hinter Andrej her.
    Im Garten angekommen, wusste sie zunächst nicht, wohin sie sich wenden sollte. Ein metallisches Geräusch wies ihr schließlich den Weg. Sie eilte in die Richtung und vernahm dann ein hämisches Lachen. »Du bist am Ende deines Weges angekommen, Andrej Grigorijewitsch. Erinnerst du dich noch an den Tag, andem du mir das Schwert an die Kehle gehalten und mich gezwungen hast, Brot und Salz mit dir und dem verfluchten Dimitri zu teilen? Jetzt wirst du dafür bezahlen.«
    Marie verbarg sich rasch hinter einer Hecke und schob ein paar Zweige beiseite, um etwas sehen zu können. Nicht weit von ihr entfernt standen Andrej und ihm gegenüber Sachar Iwanowitsch mit blanker Klinge. Drei seiner Russen und zwei griechische Krieger befanden sich bei ihm, dazu ein gut verschnürtes Bündel, das Marie erst auf den zweiten Blick als Fürstin Anastasia erkannte.
    Der Kaiser hat uns in die Falle gelockt, und Konstantinos hat ihm dabei geholfen, fuhr

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