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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Rezept herstellte.
    Nachdenklich zog sie sich aus und blickte an sich herab. Sie war keine siebzehn mehr und auch keine siebenundzwanzig, man merkte ihr die Jahre allmählich an. Ihr Busen war durch die dauernde Belastung des Stillens schlaffer geworden, hing aber noch nicht so stark herab, wie sie es bei älteren Frauen gesehen hatte. Dennoch zog sie es nun vor, ihn unter der Kleidung mit einer Binde zu stützen. Zu ihrem Leidwesen war dies nicht die einzige Stelle, an der ihre Figur zu wünschen übrig ließ.
    »Ich beginne aus dem Leim zu gehen! Aber das ist ja auch kein Wunder. Hier gibt es einfach zu wenig Bewegung und zu viele Naschereien.« Marie seufzte und sagte sich, dass sie vielleicht etwas mehr Selbstbeherrschung aufbringen sollte, wenn die Dienerinnen die Schalen mit dem köstlichen Konfekt brachten. Doch Essen, Sticken und Beten waren die einzigen Dinge, welche einer Dame in Konstantinopel die Langeweile zu vertreiben vermochten. Von den beiden letzteren hatte sie nie viel gehalten, Sticken war ihr ein Graus und die Lust zum Beten hatte man ihr bei ihrem Prozess in Konstanz und in den Jahren danach gründlich ausgetrieben. Nur selten wandte sie sich mit einer Bitte an die Jungfrau Maria und an ihre besondere Schutzheilige Maria Magdalena. Für eine Weile hing sie ihren Gedanken nach und stellte sich vor, sie sei an Bord eines Schiffes, das sie in Richtung Heimat bringen würde. Sofort schlichen sich Zweifel in ihr Herz. Würde sie für Michel überhaupt noch begehrenswert sein? Lebte ihr Sohn noch oder hatte Hulda, diese Wahnsinnige, ihn inzwischenvernachlässigt oder gar wissentlich umgebracht? Diese Gedanken flößten ihr mit einem Mal Furcht vor dem ein, was sie zu Hause erwarten mochte.

IX.
     
    D er nächste Tag begann mit einer Überraschung. Ein Herold des Kaisers erschien in Fürstin Anastasias Gemächern und überbrachte die Nachricht, dass die Einladung in den Manganapalast nicht allein Andrej gelten würde, sondern auch dessen Herrin und ihrer fremdländischen Haushofmeisterin. Da es im Allgemeinen nicht üblich war, Frauen zu solchen Anlässen zu bitten, kämpfte Anastasia sofort mit der Angst, der Kaiser werde sie gleich an die Moskauer Delegation übergeben, und nun drängte sie auf eine sofortige Flucht. Dafür aber war es zu spät. Bis es ihnen gelungen wäre, ein Schiff zu finden, das sie aus Konstantinopel hinausbringen konnte, würde man sie bei der Audienz vermissen und die kaiserlichen Wachen losschicken, um sie aufzuspüren und zu verhaften.
    »Beruhige dich, Herrin! Sollte jemand es wagen, Hand an dich legen zu wollen, schlage ich sie ihm eigenhändig ab!« Andrejs Versprechen klang in Maries Ohren ein wenig großspurig, doch die Fürstin beruhigte sich so weit, dass sie der Audienz halbwegs gefasst entgegensehen konnte.
    Sie ließ sich von Gelja und einer griechischen Dienerin in ihre beste Gewandung kleiden, die aus einem dünnen Seidenhemd, einem weiteren Hemd aus gemusterter Baumwolle und einer bodenlangen Tunika aus schimmerndem Damast bestand, an der ein Kragen aus Goldschnüren befestigt war. Ihren Kopf zierte ein Diadem, das zwar golden glänzte, aber aus mit Blattgold überzogenem Messing bestand, wie eine schadhafte Stelle Marie verriet. Ein Rosenkranz aus Halbedelsteinperlenund ein Gebetbuch vervollständigten Anastasias Erscheinung.
    Marie musste sich ähnlich kleiden, nur fehlte ihr das Diadem, und ihr Rosenkranz bestand aus kleineren und weniger wertvollen Steinperlen. Heimlich befestigte sie ihren Dolch an einem Gürtel, den sie über das erste Hemd schlang, und schlitzte ein Stück der Tunika und des oberen Hemdes auf, um an die Waffe kommen zu können. Dann legte sie sich ein großes, dunkles Schultertuch um, das zwar nicht so recht zu der gemusterten Tunika passen wollte, aber die offene Naht kaschierte und ihr zusammen mit einer strengen Frisur das Aussehen einer weitaus älteren Frau verlieh.
    Als Anastasia und Marie den Vorraum betraten, wartete Andrej bereits auf sie. Neben ihm stand Pantelej, der nicht mit ihnen kommen, sondern mit Alika und Gelja zusammen die Kinder bewachen sollte. Daher trug der Pope nur seine normale Kutte, die bereits arg schäbig wirkte. Andrej hingegen bot in seinem goldglänzenden Schuppenpanzer, dem spitzen, mit Otterfell eingefassten Helm und dem weiten roten Umhang das Bild eines großen Kriegers.
    Anastasias Augen leuchteten bei seinem Anblick auf und Marie musste ein Lächeln verbergen. Sie hätte nicht dagegen gewettet, dass

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