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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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ihre Begleiter unbarmherzig weiterzuscheuchen. Marie hoffte schon, sie könnten den Manganapalast verlassen und wieder in ihr Quartier zurückkehren. Doch der Leiter des kaiserlichen Zeremonialamts wies auf einen offenen Torbogen, hinter dem mehrere Tische standen. An einem davon saßen Konstantinos Dragestes und der Türke, die sich von Dienern gerade gebratene Hühnchen und Fisch vorlegen ließen. Der Pokal des Prinzen wurde mit dunklem Wein gefüllt, während der Pascha der Farbe des Getränks nach zu urteilen Zitronensorbet erhielt.
    »Setzt euch zu uns!«, lud der Prinz Marie und ihre Begleiter ein.
    Der Türke blickte erstaunt auf. Seiner Miene nach behagte es ihm wenig, dass Frauen am selben Tisch wie er Platz nehmen sollten. Sein Blick wanderte zu Andrej und er musterte dessen kriegerische Gewandung. Dann wandte er sich an Konstantinos.
    »Was ist das für ein Russe, der sich nicht zu den anderen Russen gesellt?«
    Er wies auf die Gruppe um Lawrenti und Sachar Iwanowitsch, denen gerade ein anderer Tisch zugewiesen wurde. Marie sah, dass die beiden Männer, die sie als Einzige der russischen Delegation kannte, sich so setzten, dass sie Andrej und die Fürstin im Auge behalten konnten.
    »Die werden saufen, bis sie unter dem Tisch liegen, so wie es die Art der Russen ist!«, spottete Malwan Pascha.
    Sein Pfeil prallte an Andrej ab. »Da du als Moslem die Freudennicht kennst, die der Wein zu spenden vermag, kannst du darüber nicht urteilen.«
    »Wein macht Männer zu greinenden Kindern«, parierte der Türke.
    »Oder zu wilden Bestien.«
    Maries Worte brachten den Pascha dazu, sie anzublicken. »Du sprichst wohl aus Erfahrung, Weib? Nicht umsonst hat der Prophet – Allah sei mit ihm – den Wein verboten.«
    Anastasia seufzte tief. »Manchmal wünschte ich mir, er wäre auch unseren Männern verboten.« Sie spielte darauf an, dass der Vollrausch ihres Mannes und seiner Gefolgsleute den Moskowitern die Gelegenheit gegeben hatte, Worosansk einzunehmen.
    Marie nickte, obwohl sie nicht glaubte, dass allein der Branntwein Fürst Dimitri und dessen Höflinge kampfunfähig gemacht hatte. Ihrer Überzeugung nach war dem Getränk ein Mittel beigemischt worden, das die Zecher in tiefen Schlaf versetzt hatte.
    Der Türke wusste ebenfalls, was Anastasia angedeutet hatte, und machte sich über die leichte Art lustig, mit der Dimitri von Worosansk sein Leben und sein Fürstentum verloren hatte. Andrej versuchte dagegenzuhalten, und so entspann sich eine lebhafte Unterhaltung, der Marie kaum noch folgen konnte. Die anderen redeten in drei Sprachen durcheinander, von denen sie eine gar nicht, eine nur wenig und die dritte halbwegs verstand.
    Andrej fiel es leicht, sich mit dem Pascha zu verständigen, denn der tatarische Dialekt, den er als Knabe bei Terbent Khans Stamm gelernt hatte, war eng mit der türkischen Sprache verwandt.
    Während sich die Männer am Tisch unterhielten, spürte Marie, wie sich ihr die Nackenhaare sträubten, und blickte sich suchend um. Irgendwo lauerte Gefahr. Sie sah unwillkürlich zu den Moskowitern hinüber und stellte fest, dass Sachar Iwanowitsch und drei oder vier andere Russen fehlten, während Lawrenti zu Andrej herüberstarrte, als hätte er Sehnsucht, mit ihm zu reden.Nach einer Weile hieb Dimitris einstiger Berater jedoch mit der Hand durch die Luft, als wolle er einen Gedanken verscheuchen, und widmete sich dem Wein, den ein aufmerksamer Diener ihm einschenkte.
    Auch Andrej trank Wein, hielt aber ebenso wie Prinz Konstantinos Maß. Der türkische Pascha schlürfte seinen mit Zucker gesüßten Saft und machte sich über den Aufwand lustig, den seine Gastgeber trieben. »Man könnte meinen, in euren Truhen wimmle es nur so von goldenen Pokalen und Tellern, dabei weiß ich so gut wie du, Freund Konstantinos, dass dein erhabener Bruder im Allgemeinen aus irdenen Bechern trinkt und von Zinntellern isst. Das Wenige an Wert, dass er noch besitzt, hebt er auf, um Gäste zu beeindrucken, die längst nicht mehr zu beeindrucken sind. Alles andere haben er und seine Vorgänger längst verkauft, um ihr Söldnerheer bezahlen zu können. Dabei ist die Zahl eurer Kriegsknechte viel zu klein, um die Stadt halten zu können. Wenn es meinem Herrn gefällt, wird er schon morgen in Konstantinopel einziehen und aus eurer Hagia Sophia eine Moschee machen.«
    »Wenn es so leicht ist, warum hat er es dann noch nicht getan?« Konstantinos Dragestes blitzte den Türken herausfordernd an. »Ich sage dir, warum! Er

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