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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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es ihr durch den Kopf. So viel Schlechtigkeit hätte sie dem Prinzen nicht zugetraut. Ihre Hand wanderte zu dem Schlitz in ihrer Tunika und fand wie von selbst den Griff ihres Dolches. Sie fand die Geste selbst lächerlich, denn Andrej war waffenlos, da er sein Schwert beim Betreten des Palasts abgelegt hatte, während seine Gegner sich Schwerter besorgt hatten.
    »Lass die Fürstin gehen!« Andrejs Stimme knirschte vor Wut.
    Sachar Iwanowitsch lachte noch lauter. »Warum sollte ich? Sie kommt heute noch auf ein Schiff, das nach Kaffa oder Tana fährt, und ihre Brut nehmen wir ebenfalls mit. Was meinst du, wie der Großfürst mich belohnen wird, vor allem, wenn ich den Narren Lawrenti und diesen aufgeblasenen Moskowiter, der uns anführt, hier in Konstantinopel zurücklasse?«
    Andrej zeigte auf die beiden griechischen Krieger. »Was hast du ihnen versprochen, damit sie dir helfen?«
    »Ich versprach ihnen, dass ein russisches Heer den Don herabkommen und ihnen gegen die Türken beistehen wird, so wie es zu den Zeiten des Großfürsten Sergej schon einmal geschehen ist.« Sachar Iwanowitsch wirkte so zufrieden wie ein Kater, der den Kampf um eine besonders große Sahneschüssel gewonnen hat.
    Andrej schüttelte entgeistert den Kopf. »Bei Gott, das waren doch ganz andere Zeiten! Damals war Kiew das Zentrum unseres Reiches und es gab gemeinsame Grenzen zwischen den Gebieten der Rus und dem Oströmischen Reich.«
    »Russland und die Russen werden Zarigrad, die Stadt des Patriarchen und Hauptes unserer heiligen Kirche, niemals diesen verfluchten türkischen Heiden überlassen!« Sachar Iwanowitschs Worte mochten übertrieben sein, doch sie klangen glaubhaft, dachte Andrej voller Wut. Die Griechen, die sich von den Türken bedrängt sahen, wollten keine Hilfe aus dem Westen, für die sie ihre Seelen an Rom verkaufen mussten, und hofften daher auf die Unterstützung ihrer nördlichen Glaubensbrüder.
    Andrej sah dem Bojaren an, dass dieser ihn nicht am Leben lassen würde, und spannte seine Muskeln, um seine Haut so teuer wie möglich zu verkaufen.
    In dem Augenblick war hinter Maries Rücken das Geräusch schneller Schritte zu vernehmen. Erschrocken prallte sie herum und sah Konstantinos und den Türken herankommen. Beide hielten ihre Waffen in der Hand, denn niemand hatte es gewagt, Malwan Pascha seinen Säbel abzufordern, und Konstantinos besaß als oberster Feldherr des Oströmischen Reiches das Privileg, jederzeit bewaffnet vor seinen Bruder treten zu können.
    Einen Augenblick lang wusste Marie nicht, wie sie sich verhalten sollte. Wollte Konstantinos nur nachsehen, ob der Streich geglückt war, oder stand er vielleicht doch auf ihrer Seite? Sie beschloss, das Glück herauszufordern, und stieß einen Warnruf aus.
    »Vorsicht, es sind sechs Männer und alle in Waffen. Sie haben Anastasia gefangen und bedrohen Andrej!«
    Sachar Iwanowitsch war beim Erscheinen der beiden Männer still geworden. Jetzt stieß er einen wüsten Fluch in seiner Heimatsprache aus und reckte Konstantinos das Schwert entgegen.
    »Halte du dich da raus!«
    Dragestes’ Gesicht wurde dunkel vor Zorn. »In meiner eigenen Stadt sagt mir das keiner, du Hund!« Er stürmte auf den Bojaren zu und trieb ihn mit harten Schwerthieben vor sich her.
    »Jetzt helft mir endlich, ihr Narren!«, brüllte der Russe seine Gefährten an. Die beiden Griechen hatten den Prinzen erkannt und hielten es für geboten, unauffällig zu verschwinden. Die Russen hingegen griffen an. Konstantinos war ein kräftiger, geschickter Krieger und hielt sie auf Abstand. Eine paar Augenblicke lang sah der Türke zu, wie Konstantinos Dragestes mit mehreren Gegnern kämpfte. Dann lachte er fröhlich auf und drang mit seinem Säbel auf die Russen ein. Malwan Pascha mochte großmäulig sein, doch er focht mit unterkühlter Leidenschaft. Als seine Klinge einen Gegner fällte, stürzte Andrej sich auf das frei gewordene Schwert, riss es hoch und schlug den dritten von Sachars Gefährten nieder. Der Mann war tot, kaum dass er den neuen Angreifer bemerkt hatte.
    Der Bojar sah, dass er nun mit einem einzigen Helfer gegen drei Feinde stand, und wandte sich zur Flucht. Andrej war jedoch mit ein paar schnellen Schritten bei ihm und riss die Waffe hoch und schlug zu. »Das ist für deinen letzten Verrat!«
    Andrejs Klinge beschrieb einen Kreis und trennte Sachar Iwanowitsch den Kopf von den Schultern. Während der Recke dem Toten einen giftigen Blick zuwarf, gab der letzte Russe Fersengeld.

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