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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Malwan Pascha folgte ihm einige Schritte, verlor ihn dann jedoch im Gebüsch und kehrte zu den anderen zurück.
    »Du solltest die Wachen alarmieren, damit sie den Kerl fangen, Freund Konstantinos!«, rief er dem Prinzen zu.
    Dieser winkte mit einem freudlosen Lachen ab. »Der Mann ist es nicht wert, dass man Aufhebens von ihm macht. Wichtiger ist, was mit diesen Leuten hier geschehen soll.«
    Marie hatte dem Kampf zunächst atemlos zugesehen und war dann zu Anastasia geeilt, um diese zu befreien. Jetzt hob sie den Kopf und warf dem Prinzen einen flehenden Blick zu. »Helft uns, Herr! Hier in Konstantinopel sind wir unseres Lebens nichtmehr sicher, wie Ihr eben gesehen habt. Wir brauchen dringend ein Schiff, das uns nach Westen bringt.«
    »Aber keines von unseren griechischen! Allein der Gedanke an ein russisches Hilfsheer, das unsere Stadt retten könnte, wird die meisten Kapitäne dazu bringen, euch den Russen auszuliefern.« Konstantinos spie zwischen die Büsche und entschuldigte sich im selben Moment bei Marie und der Fürstin.
    »Verzeiht, aber man gewöhnt sich bei den Soldaten so manche Unart an. Du hast Recht, Frau. Hier in Konstantinopel seid ihr nicht mehr sicher. Kommt mit mir! Ich kenne venezianische Schiffer, denen man vertrauen kann.«
    »Wir müssen die Kinder und unsere Dienerinnen holen«, wandte Marie ein.
    Konstantinos nickte.
    Inzwischen waren Palastbewohner von dem Lärm angelockt worden und starrten mit großen Augen auf die Toten. Unter ihnen war auch Andrejs Onkel, dessen Gesicht zu einer Maske des Zorns geworden war.
    »Sorge dafür, dass die Toten weggebracht werden«, herrschte der Prinz Lawrenti an und winkte Marie, Anastasia und Andrej, ihm zu folgen.
    Marie beeilte sich, um an seine Seite zu kommen. »Warum tut Ihr das, Herr? Liegt Euch nichts an einem russischen Heer, das an Eure Seite eilt?«
    Konstantinos Dragestes blieb kurz stehen und blickte sie ernst an. »Es wird kein russisches Heer kommen, Frau, egal, wie sehr mein Bruder und die Bewohner dieser Stadt es auch herbeisehnen mögen. Wir Griechen können nur auf Gottes Hilfe bauen und auf uns selbst.«
    Lawrenti versetzte Sachars Leichnam einen Tritt und schritt ein Stück neben Andrej her. »Fahre mit Gott, du verdammter Halunke! Ich will später nicht hören müssen, dass du unserer Sippe Schande bereitet hast.«
    »Das muss ausgerechnet ein Verräter sagen!« Andrej blitzte seinen Onkel zornig an und seine Hand schwebte bereits über dem Schwertgriff.
    »Halte Frieden!«, fuhr Lawrenti ihn an. »Was ich getan habe, geschah für das Wohlergehen von Worosansk. Es ist besser, unter Moskau zu leben, als mit Dimitri zugrunde zu gehen. Wenn du in dich hineinhorchst, wirst du wissen, dass ich Recht habe. Und nun verschwinde!« Er gab seinem Neffen einen Klaps und drehte sich um. In seinen Augen standen Tränen, die nicht nur diesem endgültigen Abschied galten, sondern auch der verlorenen Freiheit seiner Heimat.

XI.
     
    D er Abschied von Konstantinopel ging schnell und ohne Bedauern vonstatten. Prinz Konstantinos, der auf Nummer sicher gehen wollte, begleitete sie bis zum Ausgang der Dardanellen in die Ägäis und verließ die Galeere erst auf der Insel, die der Meerenge vorgelagert war. Dort wünschte er Marie und den anderen viel Glück und stieg auf ein anderes Schiff, dessen Zielhafen Konstantinopel war.
    Viel Zeit, Abschiedsworte zu wechseln, blieb der kleinen Gruppe nicht, denn der venezianische Kapitän wollte den glücklichen Wind ausnützen. Marie bedauerte den knappen Abschied, der oströmische Feldherr war ihr in den wenigen Tagen ihrer Bekanntschaft ein guter Freund geworden. Sie winkte seinem Schiff nach, das mit schnellen Ruderschlägen nordwärts strebte, bis es hinter einer Landzunge verschwunden war. Dann wandte sie sich um. Alika saß mit Lisa am Bug und starrte auf die Wellen. Nicht weit von ihr entfernt wiegte Anastasia die kleine Zoe in den Schlaf. Da keine der griechischen Dienerinnen mitgekommen war und Marie, Alika und Gelja mit der Betreuung der drei größerenKinder genug zu tun hatten, war der Fürstin nichts anderes übrig geblieben, als sich selbst um ihr Neugeborenes zu kümmern. Nach anfänglicher Unsicherheit tat sie es inzwischen sogar gerne, und da sie in Konstantinopel keine Amme für die kleine Zoe gefunden hatte, stillte sie ihre Tochter selbst.
    Marie fand, dass Anastasia die Beschäftigung mit dem Kind gut tat, sie wirkte ausgeglichener als früher, und in ihren Augen lag ein träumerischer

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