Das Vermächtnis der Wanderhure
bekannt, wie hartnäckig diese ehemalige Wanderhure sein konnte, und wenn er gegen sie entschied, würde dieses Weib es fertig bringen, ihn beim Kaiser anzuklagen.
Sein Diener hatte unterdessen einen Lappen geholt und wischteden Boden trocken. Herr Ludwig sah ihm einen Augenblick zu, nahm dann seinen Pokal und leerte den Rest mit hinterhältiger Freude neben seinem Sessel aus.
»Hier kannst du weitermachen«, erklärte er dem verblüfften Diener und fühlte sich sofort ein wenig besser. Seine Laune sank jedoch wieder, als einer seiner Höflinge, der sich ebenso wie die anderen Edelleute seines Gefolges in den letzten Stunden wohlweislich fern gehalten hatte, Ritter Heinrich von Hettenheim ankündigte.
Ludwig von Wittelsbach verzog die Lippen. »Der Mann kann es wohl nicht erwarten, sich an die Fleischtöpfe seines Vetters zu setzen.«
»Wenn Frau Maries Worte der Wahrheit entsprechen, wurde er zu Unrecht davon fern gehalten, mein Gebieter.« Es war kühn, dem Pfalzgrafen so in die Parade zu fahren, doch dem Höfling ging es auch um das eigene Recht und das seiner Freunde. Keiner von ihnen wollte ein ihm zustehendes Erbe durch eine Laune seines Lehnsherrn oder gar durch Betrug verlieren.
Das war eine der Gefahren, die Herr Ludwig auf sich zurollen sah. Selbst wenn es zu höherem Nutzen war, durfte er sich nicht offen über Gesetz und Recht hinwegsetzen, denn dies konnte ihn die Treue seiner besten Gefolgsleute kosten.
»Bringt Ritter Heinrich zu mir, und du«, ein strenger Blick traf den Diener, »besorgst einen Becher für Hettenheim. Vorerst reicht einer aus Leder. Zinn oder gar Silber muss er sich erst verdienen.«
Da es ein Privileg war, bei einer Audienz Wein kredenzt zu bekommen, beanstandeten weder der Höfling noch der Diener Herrn Ludwigs Entscheidung, denn es zeigte beiden, dass ihr Herr die Angelegenheit nach bestem Wissen und Gewissen regeln wollte.
Der Höfling eilte hinaus und kehrte kurz darauf mit Heinrich von Hettenheim zurück. Dieser verbeugte sich tief vor HerrnLudwig, der, wie er hoffte, in Zukunft sein Lehnsherr sein würde. Zwar waren die einst nur bis zum Tod des Lehennehmers vergebenen Burgen und Güter längst in den Familien erblich geworden, dennoch war es nicht ratsam, sich die Gunst des Landesherrn zu verscherzen. Wenn er den Empörten spielte und dem Pfalzgrafen vielleicht sogar Mitwisserschaft unterstellte, würde er sein Erbe verspielen, noch ehe er es angetreten hatte.
»Willkommen, Hettenheim! Ich freue mich, Euch zu sehen.« Ludwig von Wittelsbach musterte seinen Gast wie einen Hengst, bei dem er nicht sicher war, ob er ihn in seinem Stall haben wollte.
»Euer Diener, mein Herr!« Heinrich von Hettenheim beugte sein Knie, um seine Ergebenheit zu bekunden, und vernahm überrascht, dass der Pfalzgraf seinen Leibdiener anwies, ihm einen Becher Wein zu reichen.
»Ihr habt von dieser üblen Sache gehört, Hettenheim?«
»Nicht sehr viel, Herr. Man erzählt sich, Frau Marie sei wieder aufgetaucht, und Frau Hulda habe einen Bastard ihres verstorbenen Gemahls als eigenes Kind ausgegeben, um mich von dem mir zustehenden Erbe fernzuhalten.«
Der Pfalzgraf lehnte sich in seinen Sessel zurück und bleckte die Zähne. »Es handelt sich nicht um einen Bastard, Hettenheim. Frau Marie schwört bei Gott und allen Heiligen, Frau Huldas Sohn wäre ihr Kind.«
»Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, denn Hulda von Hettenheim hasst die Kibitzsteiner wie die Pest. Wie könnte sie da einen Sohn von Marie und Michel Adler als ihren eigenen ausgeben und aufziehen?«
Der Pfalzgraf blickte den Ritter scharf an, fand aber weder in seiner Miene noch in seiner Stimme eine Spur von Falschheit. Daher schob er seinen vagen Verdacht beiseite, die Sache mit dem Kind könne zwischen Ritter Heinrich und den Kibitzsteinernabgesprochen sein. Dieser Gedanke hatte wohl auch jeglicher Grundlage entbehrt, denn wenn ein Betrug geplant gewesen wäre, hätte Michel Adler ein Kind zweifelhafter Herkunft als seinen Sohn und Erben annehmen müssen.
»Die Wahrheit wird ans Licht kommen. Ich habe Lauenstein und seine Tochter hierher bestellt. Sobald sie hier sind, werde ich meine Entscheidung treffen.« Ludwig von der Pfalz ergriff seinen Pokal und gönnte sich einen großen Schluck, bevor er Heinrich von Hettenheim freundlich zunickte.
»Soviel ich gehört habe, nennt Ihr drei Söhne Euer Eigen?«
»So ist es, Euer Gnaden. Inzwischen sind es schon vier, aber der jüngste ist noch nicht größer als
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