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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Frau, wie er sich in Gedanken korrigierte, die Kleine liebte wie ein eigenes Kind. Bevor er jedoch nachfragen konnte, was mit dem von ihr geborenen Kind geschehen war, steckte Egon den Kopf zur Tür herein. Marie sah ihn und winkte ihn zu sich.
    »Ich habe noch ein Ziehkind, Michel. Das hier ist Egon, der Sohn der Marketenderin Oda. Du kennst sie nicht, aber Eva und Theres können dir von ihr erzählen. Doch lassen wir das Vergangene ruhen. Oda habe ich zu verdanken, dass ich in die Heimat zurückkehren konnte. Dafür habe ich ihr versprochen, ihren Sohn wie meinen eigenen aufzuziehen.«
    Michel konnte nur noch den Kopf schütteln. »Auf deiner Reise hast du wohl Kinder gesammelt. Doch was ist mit unserem eigenen?«
    »Das ist eine Sache, um die wir uns noch kümmern müssen. Was die Kinder betrifft, die mit mir gekommen sind, so gibt es noch zwei weitere in meiner Reisegruppe, doch die haben noch ihre Mutter.« Sie streckte den Arm aus und klopfte gegen die Zwischentür zu einem Nachbarzimmer. Gleich darauf öffnete sich die Tür, und ein hoch gewachsenes Paar trat ein.
    »Darf ich dir die Fürstin Anastasia von Worosansk vorstellen, die mir viel Leid erspart hat und eine gute Freundin geworden ist, sowie ihren Gefolgsmann, den Ritter Andrej?«
    Gelja und eine Nürnberger Magd, die den Gästen zur Verfügung gestellt worden war, brachten nun Wladimir und Zoe herein.
    »So sind wir durch die halbe Welt gereist«, sagte Marie zu Michel. »Doch das ist eine lange Geschichte, die ich dir erzählen werde, wenn sich unsere Gefühle ein wenig beruhigt haben. Es istauch die Geschichte unseres Sohnes, der sich jetzt noch in der Hand meiner Todfeindin befindet. Es wird unsere heiligste Pflicht sein, ihn zurückzuholen.«
    Michel nickte stumm und schämte sich dabei der Tränen nicht, die ihm über die Wangen liefen. In den letzten Augenblicken war so viel über ihn hereingestürmt, dass sein Geist es kaum zu fassen vermochte. Das Einzige, was er begriff, stieß er wie einen Schrei hinaus. »Du hast einen Sohn geboren!«
    Es war mehr eine Feststellung als eine Frage, denn damit war auch seine Situation geklärt. Als Mutter eines Sohnes hatte Marie mehr Recht darauf, sich seine Frau zu nennen, als Schwanhild, und er würde alles dafür tun, dass auch der Kaiser und die heilige Kirche dies so sahen.
    Maries Bericht dauerte Stunden, und sie litt, während sie sprach, sichtlich unter den Erinnerungen. Dennoch trug sie die Worte so ruhig vor wie der Kommis eines Kaufmanns seine getätigten Geschäfte. Einmal musste sie ihren Redefluss jedoch unterbrechen, denn Trudi kletterte plötzlich auf Alikas Schoß und begann mit einem Ärmel heftig über deren Gesicht zu reiben.
    »Die ist gar nicht angemalt!«, rief sie enttäuscht, und ein zorniger Blick traf dabei Mariele, die das leise zu ihr gesagt hatte.
    Hiltruds Tochter zog den Kopf ein. »Ich habe gedacht …«
    »Nicht alles, was man denkt, muss auch richtig sein.« Marie lächelte ihr freundlich zu. Michel hatte bereits Andeutungen gemacht, dass Mariele wegen seiner zweiten Frau und deren Liebhaber eine harte Strafe hatte hinnehmen müssen, und sie versprach dem Mädchen im Stillen, es ihm zu vergelten.
    Lächelnd streckte sie die Hand aus und winkte Mariele zu sich.
    »Komm, setz dich neben mich.«
    Michi, der sich gegenüber seiner Schwester zurückgesetzt fühlte, räusperte sich vernehmlich. »Erzähle der Herrin aber keine Lügen, hörst du?«
    »Ich habe auch damals nicht gelogen!« Mariele fuhr mit funkelndenAugen hoch, doch bevor sie auf ihren Bruder losgehen konnte, packte Marie sie und zog sie zu sich auf den Schoß.
    »Natürlich hast du nicht gelogen!« Maries Stimme versprach für Schwanhild und den Junker wenig Gutes. Aber noch war sie nicht bereit, sich mit diesem Problem zu befassen, denn es gab Wichtigeres zu tun. Sie drückte Mariele kurz an sich und schob sie dann auf Trudi zu, die schon ganz eifersüchtig schaute.
    »Ich habe mit dem Kaiser gesprochen und unseren Sohn zurückgefordert. Zwar hätte ich lieber versucht, ihn heimlich von dort wegzuholen, doch ich hatte Angst, die Nachricht von meiner Rückkehr würde Hulda zu früh erreichen. Wie ich dieses Weib kenne, würde sie aus lauter Bosheit dem Jungen etwas antun.«
    »Das kann sie auch jetzt noch!«, warf Michel düster ein.
    »Nicht, wenn der Kaiser rasch gehandelt und Ritter zu ihr geschickt hat, um das Kind abzuholen. Es ist der einzige Weg.«
    Michel sah, dass Marie sich an diese Hoffnung klammerte,

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