Das Vermächtnis der Wanderhure
Doch wahrscheinlich werden ihre Freunde eingreifen und die beiden trennen. Auch so müssen Michel Adler und der Mönchsknecht die Fehde aufgeben und mit eingekniffenen Schwänzen abziehen. Danach sollte es Euch nicht schwer fallen, Euch mit Herrn Ludwig von Wittelsbach zu versöhnen. Versprecht ihm, dass er Eure Töchter frei nach eigenem Ermessen verheiraten kann, und er wird darauf eingehen.«
Hulda stieß einen wütenden Laut aus. Jetzt, wo sie Michel Adler und Ritter Heinrich die Grenzen aufgezeigt hatte, beabsichtigte sie nicht, vor dem Pfalzgrafen zu Kreuze zu kriechen. Sie sah aber ein, dass Xander Recht hatte. Dieses Geschmeiß dort unten hatte sich wie Fliegen verscheuchen lassen, doch mit dem Pfalzgrafen konnte sie nicht umspringen wie mit lästigem Ungeziefer.
»Sobald ich wieder im Besitz aller vier Burgen bin, werde ich dich mit einer Botschaft an den Pfalzgrafen senden. Doch jetzt …« Frau Hulda hielt mitten im Satz inne und starrte ins Freie.
»Hast du nichts gehört? Da geht etwas vor!«
Xander wollte schon den Kopf schütteln, da drang ein schleifendes Geräusch an seine Ohren. Rasch ergriff er eine der Fackeln und warf sie über die Mauer. Was er im Schein der fallenden Flamme sah, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Der Feind stand direkt vor der Mauer und legte bereits die Leitern an.
»Alarm! Alles auf die Mauern! Schlagt diese Hunde zurück!« Xanders Ruf gellte laut durch die Nacht, doch er wusste, dass es zu spät war. Bis auf die übertölpelten Wachen hielten seine Krieger sich in ihren Unterkünften auf, und ehe sie sich gerüstet hatten, würde der Feind bereits auf der Mauerkrone stehen.
»Wir sind verloren! Diese Hunde haben uns überlistet.« Für einen Augenblick geriet Xander in Panik.
Frau Hulda drehte sich zu ihm um und schlug ihm mit der freien Hand ins Gesicht. »Kämpfe, du Narr! Sie dürfen das Kind nicht bekommen.«
Der Ritter schüttelte sich wie ein nasser Hund. »Dann müsst Ihr es umbringen. Aber wenn Ihr das tut, wird keiner von uns auf Gnade hoffen können.«
»Hast du Angst vor dem Tod? Ich sterbe lieber, als dieser Hure den Triumph zu gönnen.« Hulda lachte schrill und spie auf die Angreifer.
»Angst, Herrin? Wovor? Sterben müssen wir alle einmal!« Xanderder griff zum Schwert, und während er es zog, fiel er in Huldas Gelächter ein.
»Mein alter Kamerad Tautacher ruft mich! Ich will ihn nicht warten lassen.« Mit einem Schrei, der verriet, dass sein Geist ebenfalls aus den Fugen ging, stürmte er die Treppe hinab und setzte sich an die Spitze seiner Leute.
Frau Hulda sah zufrieden zu, wie Xander wild auf den Feind eindrang und die Spitze der Eindringlinge für einen Augenblick zurückdrängte. Aber sie wusste, dass ihre Burg verloren war, und wollte schon das Kind vom Turm werfen, um dann selbst hinunterzuspringen.
»Wir müssen beide sterben«, sagte sie zu dem Jungen, der sich in ihrem Griff wand.
Der kleine Falko vermisste Beate und fürchtete gleichzeitig die Frau, die ihn so fest gepackt hielt, dass er kaum atmen konnte. Das Licht einer Fackel beleuchtete für einen Augenblick sein Gesicht und spielte auf dem goldblonden Haar, das Hulda ebenso an ihrer Feindin hasste wie die blauen Augen, die der Bengel geerbt hatte. Wer Marie Adlerin kannte und den Jungen ansah, wusste sofort, wer Falkos Mutter war.
Hulda fletschte die Zähne und starrte auf das Kampfgetümmel hinab. Ein schneller Tod des Kindes würde ihren Rachedurst nicht stillen. Nein, die Hure sollte miterleben, wie ihr Sohn starb. Lachend hielt sie den schreienden Knaben hoch und rief nach ihrer Leibmagd.
Alke, die ein Geschoss tiefer auf ihre Befehle gewartet hatte, schoss die Treppe hoch und fasste mit vor Entsetzen verzerrtem Gesicht nach Huldas Gewand. »Herrin, wir sind verloren!«
»Dann ist es eben so! Nimm eine Fackel und zünde den Turm an. Diese Hunde sollen weder mich noch das Kind bekommen!«
Die Magd schauderte, doch sie war gewöhnt, ihrer Herrin zu gehorchen. Wortlos ergriff sie eine Fackel, stieg die hölzerne Treppe hinab und steckte die Betten in Brand, die sie für Hulda und sichhergerichtet hatte. Die Strohsäcke und Decken fingen rasch Feuer, doch das noch recht frische Holz widerstand der Hitze. Erst als Alke den Inhalt einer Öllampe ausgoss, begannen die Flammen an den Balken zu lecken.
Hulda sog den Rauch ein, der von unten heraufdrang, und lachte schrill auf. Im Burghof verteidigten sich ihre Söldner immer noch gegen den Feind. Sie kümmerte es
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