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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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mit diesem Trank nicht beeinflussen, aber sie schob diesen Gedanken sofort beiseite. Mit zufriedener Miene betrachtete sie die Wöchnerin, die schrecklich blass auf ihrem Laken lag und stark blutete.
    Beate sah es jetzt auch und unterbrach kurz das Säubern des Kindes. »Frau Marie braucht dringend Hilfe. Wir dürfen sie nicht so einfach sterben lassen.«
    »Das stimmt! Die Herrin wäre zornig, wenn sie ihre Rache nicht vollenden könnte. Kümmere dich darum. Ich nehme unterdessen das Kind und bringe es dem Vater der Herrin. Zum Glück ist es so kräftig, dass wir es ihm und seinem Gast vorführen können.«
    Alke nahm ihrer Schwester das Kind aus den Händen, rieb es gänzlich sauber und wickelte es anschließend in eine Decke. Beate versuchte indessen, mit nassen Tüchern die Blutung der Wöchnerin zu stillen. Zuletzt drehte sie einen der Lappen fest zusammen und schob ihn wie einen Pfropf in die Öffnung, aus der das Kind gekommen war.
    »Mehr kann ich nicht für dich tun. Ich schaue aber in der Küchenach, ob ich blutstillende Kräuter finde.« Beate sagte es mehr zu sich selbst, denn sie glaubte nicht, dass die Frau, die wie ohnmächtig dalag, ihre Worte gehört hatte. Doch als sie sich aufrichten wollte, schlossen sich die Finger der Wöchnerin um ihr Handgelenk.
    »Wo ist mein Sohn?«
    Beate blickte bittend zu ihrer Schwester auf. »Zeig ihn ihr! Wenigstens einmal.«
    »Du bist eine Närrin!« Trotz dieser barschen Worte drehte Alke das Kind so, dass Marie es sehen konnte.
    »Er ist wunderschön.« Marie kamen die Tränen und sie streckte die Hände nach dem Kleinen aus.
    »Du bist zu schwach, um ihn halten zu können«, flüsterte Beate ihr ins Ohr. »Wir werden uns um ihn kümmern. Bei uns ist er in bester Hut!«
    »Das kann man wohl sagen!« Alke lachte spöttisch auf und ging zur Tür.
    Marga, die sich nicht an dem Gespräch beteiligt hatte, machte sich jetzt bemerkbar. »Muss ich noch weiter bei der Hure bleiben? Jetzt kümmert sich doch deine Schwester um sie.«
    »Meinetwegen kannst du mit mir kommen. Ich glaube, du würdest dich als Kindsmagd gut machen.« Ein Grinsen begleitete Alkes Worte. Sie war sicher, dass Margas Hass auf Marie sich auch auf deren Kind übertragen würde. Doch die Frau durfte dem Knaben, der als Frau Huldas Sohn gelten würde, nichts antun, sondern hatte ihn auf Rosen zu betten. Wenn Frau Hulda keinen Zweifel aufkommen lassen wollte, musste sie den Jungen wie den sehnsüchtig erwarteten Erben behandeln und sogar über seine angeblichen Schwestern stellen. Der Gedanke gefiel der Leibmagd überhaupt nicht, aber sie würde alles tun, um den Schein zu wahren. Mit einem verärgerten Schnauben verließ sie hinter Marga die Kammer und trug das Kind in die große Halle hinab.

V.
     
    I m Rittersaal, dessen gediegene Ausstattung ganz und gar nicht dem schlichten Äußeren der Burg entsprach, hatten sich vier Herren eingefunden. Sie saßen auf schweren Holzstühlen am oberen Ende einer langen Tafel aus poliertem Eichenholz, hielten silberne Becher in den Händen und unterhielten sich anscheinend glänzend. Gelegentlich streiften die Blicke der Männer die Bilder an den holzvertäfelten Wänden, die Frau Huldas verstorbenen Gemahl Falko von Hettenheim verherrlichten. In dem gemauerten Kamin hinter dem Ehrenplatz, den an diesem Tag Rumold von Lauenstein einnahm, brannten mannslange Buchenholzscheite und sorgten für eine angenehme Wärme.
    Herr Rumold ließ den Blick über seine drei Gäste gleiten. Erwin Tautacher und dessen Stellvertreter Xander glaubte er in allem vertrauen zu können, doch der dritte bereitete ihm Sorgen. Es handelte sich um ein klein gewachsenes Männlein mit einem dicken Bauch, der kaum noch in das hochgeschlossene grüne Samtwams passte. Die gesamte Aufmachung des Besuchers, insbesondere die weiten, mit Zatteln geschmückten Ärmel und der tief sitzende, goldene Gürtel, hätte eher zu einer Audienz bei einem Herzog oder gar König gepasst, aber nicht in diese abgelegene Burg. Die beiden Ritter aus Frau Huldas Gefolge bedachten den Mann immer wieder mit spöttischen Blicken, und der Hausherr machte mehr als einmal eine Handbewegung in Richtung des ungebetenen Gastes, als wolle er eine aufdringliche Fliege vertreiben.
    So einfach aber war dem ehrenwerten Herrn Fulbert Schäfflein, hoch geachteter Kaufherr zu Worms, nicht beizukommen, zumal er von der Gnadensonne des Pfalzgrafen erleuchtet worden war und sich nun Ritter Fulbert nennen durfte. Vor zwei Wochen war er

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