Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
Faust und seine Stimme troff vor Verachtung.
    Fulbert Schäfflein verfluchte seine Neugier, die ihn dazu getrieben hatte, dem Schicksal der Marie Adlerin nachzuspüren, als er eine Spur entdeckt zu haben glaubte. Mit schief gehaltenem Kopf blickte er in die Gesichter der Männer um ihn herum. Jeder der drei schien bereit zu sein, ihn wie einen tollen Hund zu erschlagen. Gnade konnte er nur von Frau Hulda erlangen, aber für deren Hilfe würde er zahlen müssen.
    Er verbeugte sich tief vor ihr und blickte wie ein gescholtener Welpe zu ihr auf. »Ich bin Euer ergebenster Diener, Herrin. Wenn Ihr es wünscht, werde ich Euch zu einer Racheverhelfen, wie sie noch keine Frau vor Euch genießen durfte.«
    Huldas Handbewegung kam gerade noch rechtzeitig, um Tautachers Schwertarm zu stoppen. »Lass ihn vorerst am Leben! Ich will mir anhören, was er zu sagen hat.«
    Lauenstein winkte heftig ab. »Wir sollten ihn auf der Stelle erschlagen und das Weib da oben gleich mit. Wenn wir sie im Wald verscharrt haben, kräht kein Hahn mehr nach ihnen.«
    Seine Tochter schüttelte den Kopf. »Wenn die Hure tot ist, ist es vorbei. Doch sie soll meine Rache noch so lange kosten, bis sie sich vor Verzweiflung selbst umbringt.«
    »Narretei! Hier laufen bereits zu viele Mitwisser herum. Warum willst du ein weiteres Maul haben, das klatschen kann?« Lauenstein knurrte wie ein gereizter Hund. Aber sein Einwand klang schwächlich, denn er wusste aus Erfahrung, dass er sich gegen seine hasserfüllte Tochter nicht würde durchsetzen können.
    »Ich bin sicher, Ritter Fulbert wird uns nicht betrügen! Der Pfalzgraf hat ihn zu dem gemacht, was er heute ist, und er weiß, wem Herrn Ludwigs Ohr gehört – nämlich dir, Vater. Wenn wir zu der Überzeugung gelangen, dass er uns verraten will, wird er sterben, aber nicht als Ritter, sondern als Bettler in der Gosse.«
    Schäfflein verstand die Warnung, doch er lächelte nur devot, denn er hatte nicht die Absicht, Frau Hulda und ihrem Vater zu schaden. Vielmehr hoffte er, sich Lauenstein andienen und durch seine Protektion viele einträgliche Geschäfte am Hof des Pfalzgrafen abschließen zu können. Der Gedanke, sich dafür an einem Verbrechen beteiligen zu müssen, störte ihn nicht, denn es würde ihm Befriedigung verschaffen, mit Marie Adlerin genauso zu verfahren wie mit der einstigen Marketenderin Oda.
    Dieses dumme Ding hatte sich ihm vor ein paar Jahren hingegeben und war schwanger geworden. Hätte sie sich ohne Aufheben an ihn gewandt, wäre die Sache mit ein paar Gulden aus der Weltzu schaffen gewesen. Stattdessen aber war das Weibsstück mit dickem Bauch in Worms erschienen und hatte lauthals verkündet, wer für ihren Zustand verantwortlich sei. Schäfflein zog es den Magen zusammen, wenn er an die Strafpredigten dachte, die er sich damals von seinem Beichtvater hatte anhören müssen, und ihm schmerzten immer noch die Knie von all den Sühnegebeten, zu denen dieser ihn verurteilt hatte. Der Schwarzkittel war sogar so weit gegangen, von ihm zu fordern, Oda oder irgendein anderes Weib zu heiraten, um seine Manneskraft in einer von Gott geweihten Ehe zu beweisen. Zum Glück hatte eine äußerst großzügige Spende diesen Kelch an ihm vorübergehen lassen.
    »Das Miststück hat damals für seine Unverschämtheit bezahlt – und jetzt wird Marie Adlerin den gleichen Weg gehen.« Die verständnislosen Gesichter der anderen machten Schäfflein klar, dass er seine Gedanken laut ausgesprochen hatte.
    »Du tust es also?« Frau Hulda krallte ihre Finger so fest in Schäffleins Schulter, dass dieser aufstöhnte.
    »Aber ja doch! Doch es darf niemand davon erfahren. Mir wäre ein schrecklicher Tod sicher und Euch ebenfalls.«
    »Dann sind wir uns einig, Ritter Fulbert.« Frau Hulda lächelte hämisch, denn sie wusste, welches Schicksal nun auf Marie warten würde.

VI.
     
    D ie ersten Stunden nach der Entbindung waren eine einzige Qual. Marie wurde von Durst gepeinigt, erhielt aber nicht einmal mehr das schlecht schmeckende Wasser aus der Zisterne. Irgendwann ließen wenigstens die Schmerzen in ihrem Unterleib nach, die nicht zuletzt durch Beates Eingriff hervorgerufen worden waren, und sie begann ihre Umgebung wieder wahrzunehmen.
    Zunächst erschien ihr alles, was sie durchlebt hatte, wie ein schlimmer Traum, der irgendwann einmal enden musste. Doch als die blasse Februarsonne durch die Schießscharten schien und ein beunruhigendes Spiel aus Licht und Schatten über ihr Bett warf, begriff sie, dass

Weitere Kostenlose Bücher