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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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überraschend in der Otternburg aufgetaucht undhatte bis jetzt noch keine Anstalten gemacht weiterzureisen. Rumold von Lauenstein war inzwischen klar geworden, dass Schäfflein nicht seine Nähe suchte, um die Schulden einzutreiben, die sein verstorbener Schwiegersohn bei dem Kaufmann gemacht hatte, als dieser seine Leute für den böhmischen Krieg hatte ausrüsten müssen. Die Summe war nur ein Druckmittel, mit dessen Hilfe der geadelte Kriegsgewinnler hoffte, im Schatten des pfalzgräflichen Beraters noch höher steigen zu können. Lauenstein hätte den aufdringlichen Besucher am liebsten aus der Burg gejagt, denn er fürchtete, der Mann würde auf Geheimnisse stoßen, die ihn nichts angingen. Doch seit Pfalzgraf Ludwig von Wittelsbach diesem Krämer den Ritterschlag erteilt hatte, um auf diese Weise seine eigenen Schulden bei dem Mann zu tilgen, durfte er mit Schäfflein nicht mehr so umspringen wie mit einem gewöhnlichen Bürger.
    Der Kaufmann beugte sich vor und blickte seinem Gastgeber feixend ins Gesicht. »Das Weib schreit nicht mehr. Also dürfte Euer Enkel geboren worden sein.«
    Rumold von Lauenstein hätte Schäfflein am liebsten ins Gesicht geschlagen oder dem Kerl gleich für alle Zeiten das Maul gestopft. Viel zu viele Leute einschließlich des Pfalzgrafen wussten, dass Falko von Hettenheim seine Frau zum letzten Mal im März des Vorjahrs besucht hatte. Eine Schwangerschaft von elf Monaten aber war selbst dem größten Simpel nicht glaubhaft zu machen, geschweige denn einem Mann wie Heinrich von Hettenheim, der bereits beim Pfalzgraf interveniert hatte, um das Erbe seines Vetters antreten zu können. Am meisten erboste Lauenstein, dass es Schäfflein anscheinend mühelos gelungen war, Huldas Pläne zu durchschauen. Dennoch versuchte er die Fakten zu leugnen. »Von welchem Weib sprecht Ihr, Ritter Fulbert? Ich habe nichts gehört, Ihr etwa, Tautacher?«
    »Nein, gewiss nicht. Es mag sein, dass die Wirtschafterin einer nachlässigen Magd ein paar Ohrfeigen verpasst hat.«
    Schäfflein lehnte sich spöttisch lächelnd zurück und musterte den Vater seiner Gastgeberin, als wolle er sich kein Zucken in dessen Miene entgehen lassen. »Haltet mich nicht für einen Narren, nur weil ich nicht wie Ihr mit Sporen an den Fersen geboren worden bin. Ich weiß die Zeichen zu deuten. Eure Tochter war schwanger, doch anstatt in Heidelberg am Hofe des Pfalzgrafen zu gebären und damit alle Zweifler in die Schranken zu weisen, zieht sie sich in die Einöde zurück. Hier bringt sie angeblich vor zwei Monaten einen Sohn zur Welt, den aber bis jetzt noch niemand zu sehen bekommen hat. Dafür habt Ihr neben Euch selbst fünf weitere Zeugen genannt, die angeblich der Niederkunft Eurer Tochter beigewohnt haben. Mit Tautacher und Xander sitzen zwei mit uns hier am Tisch, und von einem weiß ich mit Sicherheit, dass er zu jener Zeit nicht auf der Otternburg gewesen sein kann. Allerdings ist er Euch verpflichtet und vermag einen Teil seiner Schuld auf diese Weise beglichen zu haben.«
    »Willst du mich der Lüge zeihen, Krämer?« Tautachers Rechte klatschte an den Griff seines Schwerts.
    Schäfflein hob beschwichtigend die Arme. »Ich will nichts dergleichen, Ritter Erwin. Ganz im Gegenteil, ich bin auf Eurer Seite!«
    »Das freut mich für Euch, Ritter Fulbert!« Unbemerkt von den anderen, war Frau Hulda in die Halle getreten. In ihren Armen trug sie ein weißes Leinenbündel, aus dem der Kopf eines Kindes herausschaute. »Hier seht Ihr meinen Sohn. Er ist noch etwas klein für die zwei Monde, die er bereits auf dieser Welt weilt, doch er gibt zu besten Hoffnungen Anlass. Heinrich von Hettenheim wird sich auch weiterhin mit der Vogtstelle begnügen müssen, die er derzeit einnimmt.«
    Sie sagte es in einem Tonfall, der jeden unvoreingenommenen Menschen getäuscht hätte. Selbst Lauenstein riss verwundert die Augen auf, als seine Tochter scheinbar freudestrahlend das Kindauspackte, die Windel zurückschlug und ans Tageslicht brachte, was einen Knaben von einem Mädchen unterscheidet.
    »Es ist also doch ein Junge.« Ein, zwei Herzschläge lang hatte er vergessen, dass ein Mann an der Tafel saß, der nicht zu den Eingeweihten zählte.
    Der Kaufmann beugte sich interessiert vor und stupste mit dem Zeigefinger gegen das winzige Glied des Knaben. »Das ist also der Sohn der Wanderhure. Unser Herrgott im Himmel hat es wirklich schlecht eingerichtet. Er hätte Euch den Jungen und dieser Marie das Mädchen geben sollen.«
    Frau Hulda

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