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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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werden, während sich die Kapitäne und Kaufherren gegen das nasse Element mit Kapuzenmänteln wappneten,deren Stoff mit Wachs getränkt war. Einen Umhang dieser Art trug auch der hoch gewachsene Mann, der auf dem Achterdeck einer etwas abseits liegenden Kogge stand. Es hatte den Anschein, als werde sie von den großen Handelsschiffen gemieden. Drei kleinere Boote lagen durch Fender geschützt und gut vertäut neben dem hochbordigen Schiff und ein viertes steuerte eben darauf zu.
    »In diesem Jahr erscheint Labadaire wenigstens rechtzeitig«, sagte der Mann im Mantel zu seinem Maat, der sich mit einem über die Schulter geworfenen Stück Segeltuch gegen den Regen schützte und gerade mit affenartigen Bewegungen die steile Treppe zum Hinterdeck erklomm.
    »Das ist gut, Kapitein, denn nun werden wir vor den Friesen in Riga ankommen und ein besseres Geschäft machen.« Der Mann nickte zur Bekräftigung und blickte seinen Schiffsführer fragend an.
    »Sollen wir die Fracht gleich übernehmen, Kapitein, oder wollt Ihr sie gesondert prüfen?«
    Christiaan Zoetewijn, der Kommandant der Geit, schüttelte den Kopf. »Sieh du dir an, was Labadaire da anschleppt, und sortiere aus, was dir nicht passt. Ihn selbst schickst du gleich zu mir in die Achterkajüte. Dem Kerl werde ich nämlich was aus dem Buche Levi lesen, darauf kannst du dich verlassen!«
    Der Maat grinste, denn Zoetewijns Donnerwetter waren gefürchtet. Er besann sich rasch wieder auf seine Pflicht und befahl dem Schiffer einer Schute, der seine menschliche Ladung bereits an die Geit übergeben hatte, den Platz für Labadaires Barke frei zu machen.
    Zoetewijn betrat unterdessen die Kapitänskajüte und nahm auf einem wuchtigen Stuhl Platz. Ein großes Bett mit einem hochklappbaren Gitter, das ihn bei starkem Wellengang davor schützte, im Schlaf hinauszufallen, zwei schwere Seekisten und ein ebenso wie der Stuhl am Boden verschraubter Tisch stelltendie gesamte Einrichtung dar. Da der Stuhl für den Kapitän bestimmt war, musste jeder, der in die Kajüte gerufen wurde, wie ein Dienstbote vor dem Herrn der Kogge stehen bleiben, es sei denn, Zoetewijn ließ ihm einen Klappstuhl bringen. Das tat er jedoch nur bei besonders angesehenen Gästen.
    Für Jean Labadaire gab es diesen Luxus nicht. Der hagere Franzose trat ein und nahm nach einem mahnenden Hüsteln des Maats, der ihn begleitet hatte, die Kappe ab. Der Kapitän tat so, als bemerke er den Sklavenhändler nicht, und beschäftigte sich intensiv mit seiner Ladeliste, auf der neben der bereits an Bord genommenen Menschenfracht auch etliche Dutzend Bierfässer und andere Waren verzeichnet waren, die er im Osten zu einem guten Preis zu verkaufen hoffte.
    Labadaire dauerte das Warten schließlich zu lange und er räusperte sich. Zoetewijn blickte auf und musterte ihn aus seinen wasserhellen Augen, als sähe er ihn zum ersten Mal.
    »Zu deinem Glück bist du diesmal früh genug gekommen. Ich wäre sonst losgesegelt, ohne auf dich zu warten. In den beiden letzten Jahren sind mir die Friesen zuvorgekommen, und das muss ab jetzt anders werden.« Obwohl Zoetewijn auch Französisch sprach, verwendete er nun seine holländische Muttersprache. Der Franzose sprudelte zunächst Begrüßungsworte hervor, bei denen er beide Sprachen bunt mischte, bequemte sich aber auf Zoetewijns ärgerlich verzogene Miene hin, Holländisch zu sprechen.
    »Ich haben mich beeilt, mein Freund, und bringe gute Ware.«
    »So gut wie letztes Jahr? Da hast du mir ein christliches Weibsstück als maurische Sklavin untergeschoben und mich damit in Reval in verdammte Schwierigkeiten gebracht! Was glaubst du, wie man mich behandelt hat, als dieses Ding vor allen Leuten das Vaterunser und den Rosenkranz aufzusagen wusste? Ich musste sie für einen Bettel freigeben! Zum Glück hat ein Handwerker sie mir abgekauft, dem die Frau weggestorben war und der einhalbes Dutzend Würmer zu Hause zu versorgen hatte.« Zoetewijns Stimme wurde mit jedem Wort lauter, bis er den Franzosen regelrecht anbrüllte.
    Labadaire war jedoch zu abgebrüht, um sich ins Bockshorn jagen zu lassen. Szenen dieser Art gehörten zum Geschäft, und er wusste, dass der Holländer sonst beide Augen zuzudrücken pflegte. Sklaven waren im Osten heiß begehrt, zumal sie nicht leicht zu bekommen waren. Die Kirche verbot den Verkauf von Christenmenschen, auch wenn sie bei Schuldnern und Verurteilten manchmal Ausnahmen machte. Also waren Männer wie er darauf angewiesen, mit Mauren und anderen

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