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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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doch sollte Albrecht von Österreich Herrn Sigismund als dessen Schwiegersohn auf dem Thron folgen, wird ein anderer Wind durch unser Deutschland wehen.« Für den Augenblick hatte Michel seine Trauer überwunden und wirkte so kämpferisch wie in alten Zeiten.
    Ritter Heinrich atmete innerlich auf. »Komm doch mit mir, meinFreund! Der Kaiser wird bald wieder aus Ungarn zurückkehren. Dann solltest du dich ihm in Erinnerung bringen, damit du in seiner Gunst verbleibst.«
    »Ich weiß nicht …« Michel hob hilflos die Hände, denn er begriff, dass er es Trudi schuldig war, sich das kaiserliche Wohlwollen zu erhalten. »Vielleicht werde ich dich begleiten, aber lass mir noch etwas Zeit. Jetzt beantworte mir eine Frage: Wieso dienst du immer noch dem Abt des Klosters Vertlingen? Verweigert Herr Ludwig von der Pfalz dir etwa die Herausgabe deines Hettenheimer Erbes?«
    Ritter Heinrich blickte Michel erstaunt an. »Weißt du es noch nicht? Frau Hulda soll ihrem Gemahl fünf Monate nach dessen Tod einen Erben geschenkt haben. Erst hieß es, das Kind sei schwächlich und es wäre nicht gewiss, ob es überleben würde. Bei Gott, ich habe noch keinem Menschen den Tod gewünscht, doch in diesem Fall wäre ich beinahe schwach geworden, zumal die Umstände seiner Geburt nicht nur mir recht mysteriös erschienen. Das Weib meines verfluchten Vetters hat sich nämlich für die Geburt auf eine abgelegene Burg zurückgezogen und ist bis heute noch nicht an den Hof des Pfalzgrafen nach Heidelberg zurückgekehrt. Doch es heißt, Huldas Balg habe sich inzwischen prächtig herausgemacht. Würde ich den Adelsstolz der Frau nicht kennen, müsste ich annehmen, sie habe ein fremdes Kind als ihr eigenes ausgegeben.«
    Michel schüttelte den Kopf. »Ich habe Hulda und ihren Vater Lauenstein kennen gelernt und kann mir nicht vorstellen, dass sie so etwas tut. Allein der Gedanke, das Kind einer Magd als ihr eigenes aufziehen zu müssen, würde sie vor Ekel schaudern lassen.«
    »Zumal sie dem Balg, wie es heißt, selbst die Brust geben soll«, warf Ritter Heinrich ein.
    »Dann ist es wirklich Falkos Kind und damit der Erbe von Hettenheim. Es tut mir leid für dich, mein Freund, aber du wirst dichdamit abfinden müssen.« Michel legte den Arm um Heinrichs Schulter, um ihn zu trösten, doch der winkte nur lachend ab. »Bei Gott, so schlecht geht es mir auch wieder nicht. Wenn mir der hochwürdige Herr Abt, so wie er es mir versprochen hat, eine der zum Kloster zählenden Besitzungen als Afterlehen überlässt, kann ich meinen Söhnen einmal mehr vererben als Rüstung, Schwert und meinen guten Namen. Dafür solltest du bei deiner Tochter auch sorgen!«

DRITTER TEIL
     

Verschleppt

I.
     
    E in steter Nieselregen ging über dem mächtigen, vielfach verzweigten Strom und seinen Ufern nieder, die so flach waren, dass es den Anschein hatte, sie müssten bereits bei einem einzigen heftigen Regenguss überflutet werden. Trotzdem lag mitten in dieser Landschaft, in der die Grenzen von Wasser und Land kaum zu bestimmen waren, eine große Stadt. Um diese herum zog sich ein Wall aus aufgeschichteter Erde, dessen Kamm von einer Ziegelmauer gekrönt wurde. Drei Tore durchbrachen das Bollwerk und führten hinaus auf Straßen, die aus Knüppeldämmen bestanden. Dort, wo der Wall von einem breiten Kanal geteilt wurde, endete er in stark befestigten Türmen. Der Wasserweg bot Schiffen und Prähmen einen bequemen Weg zu den großen Häusern der Handelsherren, deren vorstehende Firstbalken Rollen und Seilzüge trugen, mit denen die wertvolleren Waren ins Dachgeschoss gehievt werden konnten. Eine wuchtige Stadtkirche und mehrere kleinere Gotteshäuser überragten mit ihren quadratischen Türmen die Stadtmauer, und zwischen diesen und den mehrstöckigen Patrizierbauten drängten sich die Hütten, in denen das einfache Volk hauste.
    Trotz des Regens, der selbst die dicksten Mäntel und Überwürfe durchnässte und den Stoff schwer wie Blei werden ließ, herrschte reges Leben im Hafen, der außerhalb der Stadtmauer lag, und es wimmelte bereits jetzt im März von Schiffen. Zwischen bauchigen, hochseetüchtigen Koggen, die vor ihren Ankern schwoiten, suchten sich die verschiedenen Stromfahrer wie Schuten, Aaks, Buisen und Sniken ihren Weg. Rufe schallten über das Wasser, Taue wurden geworfen und Fässer und Ballen mittels der als Kräne verwendeten Mastbäume direkt von Bord zu Bord geladen. Die Männer, die hier arbeiteten, waren es gewohnt, bis auf die Haut nass zu

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