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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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gebracht und Wein aufgetragen wird.« Zoetewijn verwandelte sich im Bruchteil eines Augenblicks vom hart verhandelnden Schiffer in einen leutseligen Mann, der allen Menschen wohlwollend gegenübersteht.
    Der Matrose zog sich zurück, und statt seiner betrat ein schmaler Mann mit asketischen Gesichtszügen den Raum. Er reichte dem Maat, der sofort auf ihn zueilte, den nassen Filzumhang und hob die Hand zu einer segnenden Geste. Labadaire und der Kapitän sanken auf die Knie, und der Maat, der sich den Umhang des Priesters schnell über den Arm hängte, folgte ihrem Beispiel.
    »Nun, mein Sohn, was hast du mir zu berichten?« Die Stimme des Priesters klang streng, denn der Zwischenfall mit derSklavin in Reval war ihm von einem Neider Zoetewijns zugetragen worden.
    Der Kapitän zwang sich zu einem devoten Ausdruck und blickte ehrerbietig zu dem Kirchenmann hoch. »Ich habe die Frachtpapiere vorbereitet, hochwürdiger Herr. Aber ich muss die Sklaven noch eintragen, die mir heute geliefert worden sind.«
    »Dann tu dies, mein Sohn.« Der Pfarrer trat seitlich hinter den Stuhl, auf den Zoetewijn sich jetzt wieder setzte. Der Kapitän begriff, dass er die von Labadaire gelieferten Sklaven vor den Augen des Klerikers in seine Frachtliste eintragen musste, und schwor sich, dem hageren Franzosen den Hals umzudrehen, wenn es auch diesmal Unstimmigkeiten geben würde.
    Labadaire fühlte sich ebenfalls nicht gerade wohl in seiner Haut. Die Kirche duldete zwar den Sklavenhandel mit Heiden, reagierte aber bei verschleppten Christenmenschen unter Umständen mit Verurteilungen zu Leibesstrafen, die die weltliche Gerichtsbarkeit ausführte. Da sich Christen unter seiner Fracht befanden, beschloss er, dies offen zuzugeben, bevor der Priester es auf andere Weise erfuhr.
    »Pardon, hochwürdiger Vater, doch acht der Männer, die ich Mijnheer Zoetewijn überbracht habe, stammen aus den Schuldgefängnissen Südfrankreichs. Es handelt sich um Verbrecher, die verkauft wurden, um wenigstens einen Teil ihrer Schulden zu tilgen.«
    Der Priester fuhr mit einer heftigen Bewegung auf. »Dann hätte man sie auf die Galeeren schicken können statt zu den wilden Moskowitern oder Tataren!«
    Er legte Zoetewijn die Hand auf die Schulter. »Mein Sohn, du wirst diese Männer nicht an russische Ketzer oder gar an die Heiden verkaufen, sondern in Reval ehrlichen Christenmenschen übergeben, auf dass die Seelen dieser Unglückseligen vor Anfechtungen gefeit bleiben und sie auf die Erlösung durch unseren Herrn Jesus Christus hoffen können.«
    »Natürlich werde ich dies tun, hochwürdiger Vater«, versprach Zoetewijn, um die Zusage sofort wieder zu vergessen.
    »Du hast diesmal sehr viele Kinder an Bord, mein Sohn. Das ist nicht gut! Man hätte sie besser in ein Kloster geben und dort im Sinne der christlichen Lehre erziehen sollen.«
    »Wenn es mir möglich wäre, würde ich sie Euch schenken, hochwürdiger Vater! Aber ich bin ein Handelsmann und auf meinen Verdienst angewiesen. Wenn Ihr die Kinder kaufen wollt, mache ich Euch natürlich einen guten Preis.« Zoetewijn hätte nichts dagegen gehabt, einige der jüngeren Sklaven auf diese Weise loszuwerden, denn nicht alle würden die lange Seereise nach Osten überleben.
    Der Priester schüttelte mit einem bedauernden Lächeln den Kopf. »Dafür fehlen mir leider die Mittel, mein Sohn. Die Ausgaben, welche die heilige Kirche zu tätigen hat, sind sehr hoch, denn es müssen mächtige Dome errichtet werden, die dem Volk die Herrlichkeit Gottes näher bringen. Auch fordert Seine Heiligkeit, der Papst, viel Geld von uns für den Kampf gegen die Heiden, die die Länder der Christenheit bedrängen.«
    Zoetewijn nickte und spielte dann seinen Trumpf aus. »Das verstehe ich sehr gut, hochwürdiger Herr. Glaubt nicht, dass es mir leicht fällt, all diese Kindlein in ein fremdes Land zu verschleppen, anstatt sie bei uns zu guten Christenmenschen erziehen zu lassen. Erlaubt, dass ich Euch wenigstens eines von ihnen überlasse. Ihr könnt den Jungen in ein Kloster geben, damit er dort Gott dienen kann, oder ihn zum Chorknaben in Eurer Kirche machen.« Ein Wink an den Maat begleitete seine Worte. Dieser verließ die Kabine und kehrte kurz darauf mit einem vielleicht fünf Jahre alten bildhübschen Jungen mit dunklen Haaren und braunen, angstvoll aufgerissenen Augen zurück.
    Der Priester betrachtete das Kind und nickte unwillkürlich. Der Knabe war noch jung genug, um als guter Christ und DienerGottes erzogen werden zu

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