Das Vermaechtnis des Caravaggio
wollte sie
sich die Hoffnung, Michele wiederzusehen, nicht durch den Geruch eines Mannes in
ihrem Verschlag verdüstern lassen. Trotzdem wanderte sie unruhig auf Deck umher
und sah den Matrosen zu, wie sie das Segel gänzlich öffneten.
Vor ihr lag Malta, vor ihr lag eine
unbekannte Herausforderung, die bereits damit begonnen hatte, dass sie als Frau
nicht an Bord genommen worden war. Der Kapitän des ersten Schiffes hatte sich
gewunden wie ein Tintenfisch auf dem Trockenen, als sie ihm mitteilte, sie
würde gern einen der Verschläge mieten, um nach Malta überzusetzen.
Eine Frau ohne Begleitung, noch dazu
ein solch hübsches Exemplar, nehme er nicht mit an Bord. Seine Matrosen seien
abergläubisch, und eine Frau auf dem Schiff bringe Unglück.
Um beim zweiten Versuch nicht
ebenso abgewiesen zu werden, hatte sie ihre ganze Kunst aufgeboten und sich in
einen Mann verwandelt. Selbst ihr Haar hatte sie dafür abgeschnitten. Die
schulterlangen Locken waren einer kurzen Frisur gewichen, wie sie der
Männermode der Zeit entsprach. Mit Farbe hatte sie sich einen bläulichen
Bartansatz aufgeschminkt, und ihr von Krankheit gezeichnetes Gesicht tat ein Übriges.
Selbst sie hatte sich für einen Mann gehalten, als sie sich in einer
Spiegelscherbe betrachtet hatte, so herb und kantig wirkte es.
Trotzdem musste sie in diesem
Frühjahr weitere vierzehn Tage in den Hafenkneipen herumlungern, um
auszukundschaften, wann ein weiteres Schiff nach Malta auslief.
Ohne weitere Nachfragen hatte sie
der zweite Kapitän auf seiner Feluke mitgenommen, für horrendes Geld, das sie
sich bei Enrico geliehen hatte. Nur den ohnehin schmalen Verschlag musste sie
mit dem Fremden teilen, auf den sie so neugierig war, und dessen Auftauchen sie
mit Spannung und Angst erwartete. Wer außer ihr wollte nach Malta? Hatten die
Neapolitaner nicht gesagt, Malta bestünde vor allem aus Stein? Ein grauer Fels
im Mittelmeer, unfruchtbar und öde, bis auf ein wenig Macchiagestrüpp im
Inneren, das kaum zu durchqueren war.
Über ihr knatterte das
Lateinersegel. Leicht legte sich das Schiff zur Seite, um dem Winddruck
auszuweichen und wurde so vorwärts getrieben. Irgendwo vor ihr in der
Dunkelheit lag die Insel. Eine Woche oder einen Monat, vielleicht auch länger,
würden sie für die Reise brauchen, lange Tage, die viel Ungewisses boten. Bei
den Zeitangaben erging sich der Kapitän in einer Art achselzuckender
Spekulation. Die Winde, meint er, die Strömungen, das Wetter, vor allem aber
die Winde, die das Schiff in Sizilien halten konnten. Fünf Tage oder vier
Wochen, alles habe er schon erlebt.
Der Kapitän trat neben sie und sah
mit ihr zum Heck hin, das die Wellen schäumte und Kiellinien aufwarf, die
hinter ihnen auseinanderglitten.
„Schön wie die gespreizten Schenkel
einer Frau!“, meinte er. Etwas zuckte Nerina zusammen. Wozu dieser Vergleich?
Aber sofort bekam sie sich in die Gewalt. Jetzt lebte sie als Mann in einer
Männerwelt, und die wiederum lebte offensichtlich von diesen Anspielungen. „Was
tut Ihr in Malta, wenn ich so neugierig sein darf?“
„Geschäfte!“, antwortete Nerina
unbestimmt.
„So.“ Langsam zwirbelte sich der
Kapitän seinen ansehnlichen schwarzen Oberlippenbart. Er musterte Nerina genau:
Sie kam sich vor wie bei einer Tierschau, in der die Käufer die fettesten
Schafe haarklein in Augenschein nahmen. Es fehlte nur noch, dass er sie
abtastete. „Für Geschäfte ist Euer Gepäck recht schmal!“
Sie tippte sich an den Kopf.
„Das verkaufe ich.“
„Oh, ein Studiosus. Ihr bietet Euer
Wissen dem Großmeister an. Alof de Wignacourt wird gierig darauf sein, Euch zu
sehen. Ein gebildeter Mann, wie man spricht, ein Freund der Künste und der
Wissenschaften, vor allem der Ingenieurwissenschaften. Ihr baut Waffen?“
„Nein. Ich beschäftige mich mit
Architektur – mit dem Bau von Festungen“, ergänzte Nerina, als sie sah, dass
der Kapitän sie verständnislos betrachtete.
„Festungen. Ja, die benötigt die
Insel. Schwere Festungen. Noch nicht einmal fünfzig Jahre ist es her, dass die
Türken Malta beinahe völlig dem Erdboden gleichgemacht hätten.“
Ihr Geruchssinn kündigte Nerina
einen weiterer Gesprächspartner an, bevor dieser in das Verhör des Kapitäns
eingriff, denn als solches empfand Nerina die übertriebene Neugier des
Kapitäns. Ihr Bettnachbar, der Fremde aus dem Verschlag neben ihr, trat zu
ihnen. Bereits sein erster Satz, das erste Wort, das er sprach, ließ ihr das
Blut in den Adern
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