Das Vermaechtnis des Caravaggio
hatten nicht
mit uns Johannitern gerechnet. Zäh und unter unmenschlichen Opfern hielten wir
die Insel und haben die Osmanen schließlich vertrieben.“ Lächelnd wandte er
sich an Nerina, drehte den Rücken gegen die Insel. „Piali Pascha, der türkische
Großadmiral, hatte sich als unfähiger Schwachkopf erwiesen. Ein Zögerer und
Zauderer, ohne die geringste Fantasie. Als Kind christlicher Eltern auf dem
Schlachtfeld von Belgrad gefunden, hatte ihm Suleiman das Leben geschenkt und
in seinem Serail aufziehen lassen. Unvorstellbar, nicht? Und das gerettete
Findelkind ließ den alten Mann, den Sultan, im Stich. Damit wurde vom
Großmeister der Johanniter, Fra Jean de la Valette, der Niedergang dieses
glorreichen Feldherrn und Fürsten, Suleiman der Prächtige, eingeleitet. Malta
konnte nicht eingenommen werden, der Angriff auf Wien ging schief, die Schlacht
von Lepanto erwies sich für die türkische Flotte als Desaster. Seither ist Ruhe
eingekehrt auf Malta.“
Mit geschlossenen Lippen lächelte
Nerina ihn an. Warum erzählte er ihr das alles?
„Ich stehe seit zwanzig Jahren im
Dienst des Ordens, und manchmal wünschte ich, diese glorreiche Zeit miterlebt
zu haben. Aber ich kenne nur den Ausbau der Stadt La Valletta zur Festung und
bin eher Architekt als Kämpfer.“
Mit den Ellenbogen lehnte er an der
Bordwand und setzte einen Fuß gegen die Brüstung.
„Gegen Abend werden wir in La
Valletta einfahren. Es ist seit den Türkenangriffen regelrecht aus dem Felsen
der Insel geschnitten worden. Insbesondere der Hafen wird Euch begeistern, wenn
auch allenthalben der Charakter einer Baustelle nicht zu verkennen ist.“
„Ich bin gespannt. Von hier aus
wirkt die Perle des Mittelmeers eher wie ein Stück Kalkstein und zudem wenig
einladend. Wenn ich es recht gehört habe, haben sich die Johanniter bei der
Verteidigung der Insel vor allem durch eine ungewöhnliche Grausamkeit ausgezeichnet.
Hat man nicht die abgeschnittenen Köpfe gefangener Türken gegen die feindlichen
Schiffe geschossen?“
„Ihr habt recht. Aber lasst Euch
nur nicht vom ersten Eindruck täuschen. Er kann trügerisch sein.“
Der Satz schien so dahingesagt,
aber in Nerina läuteten sofort die Alarmglocken. Wollte er ihr versteckt
mitteilen, dass er sie durchschaut hatte? Blickte er hinter ihre Maske? Wollte
er sie beunruhigen, damit sie einen Fehler beging?
„Nur wer hinter die Dinge sieht,
erkennt Ihren wahren Charakter, Signor Baumeister. Dafür nagelten die Türken
gefangene Johanniter auf Holzkreuze und setzten sie im Hafen aus. Von ihren und
unseren Schiffen wurden diese Märtyrer absichtlich oder unabsichtlich in den
Grund gebohrt.“
Sie hielt den forschenden Blicken
seiner Augen stand.
„Ich jedenfalls sehe, dass Ihr die
Anlagen zu einem Philosophen habt. Wenn Ihr mit dem Schwert ebenso umgehen
könnt wie mit dem Mund, dann seid Ihr eine Bereicherung. Wisst Ihr schon, wo
Ihr wohnen werdet?“
„Wenn die Malteser die christlichen
Tugenden nicht nur im Mund führen, sondern praktizieren, wird sich ein Quartier
finden. Auch in La Valletta wird man Hospitäler eingerichtet haben, die dem Pilger
ebenso ein Unterkommen sichern wie dem Neuankömmling. Außerdem schlafe ich
häufiger unter freiem Himmel. Wer in Malta soll mich schon wegtragen? Und wohin
auch?“
Der Johanniter lachte lauthals und
schlug mit der Hand auf die hölzerne Brüstung des Schiffes.
„Ihr seid humorvoll. Eine
Eigenschaft, die unser Orden durchaus schätzt. Wenn Ihr so tugendhaft und
eifrig seid, werdet Ihr es noch weit in der Gesellschaft des Heiligen Johannes
bringen.“
„Seid Ihr in Malta geboren?“
Ebenso plötzlich wie es begonnen
hatte, verstummte das Lachen des Johanniters. Ihre Frage traf ihn offenbar. Die
gesamte Überfahrt hatten sie beide kaum vier Sätze miteinander gesprochen, sodass
eine derart unverhohlene Neugier misstrauisch machen musste.
„Nein. Meine Familie stammt aus
Mailand.“
„Man hört es Eurer Sprache nicht
mehr an.“
„Ich reise viel.“
„Eine Arbeit für Männer mit Mut,
Ausdauer und eiserner Gesundheit. Oder lauft Ihr dem Erstgeborenen Eurer
Familie davon? Seid Ihr leer ausgegangen, als Güter und Anwesen geteilt wurden?“
Am Gesicht des Johanniters konnte
Nerina die Überraschung geradezu ablesen. Aber die Aussicht, bald Malta zu
betreten, und der Übergang von den tiefblauen Wassern des Mittelmeeres zu den
azurnen, grünlichen der Inselküsten stimmten ihn offenbar milder und machten
ihn
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