Das Vermaechtnis des Caravaggio
gesteckt
hatte. Für das Bild bestand keine Gefahr, war es doch in gutes Öltuch
eingeschlagen. Sie zog einen Mantel hervor, versuchte, ihn sich überzuwerfen.
In der Enge verhakte sich der Stoff überall.
Plötzlich krängte das Boot stark. Sie
wurde gegen die Holzwand geworfen, ein Brett brach. Das Dach rutschte aus
seiner Verankerung und quietschte. Bretter knickten unter dem Ansturm einer Bö.
Es klaffte auf und riss ab. Polternd wehte es übers Deck und ins Wasser. Nerina
versuchte sich aufzurappeln, aber eine weitere Bö lehnte sich gegen den
Holzverschlag, der sich ohne stützendes Dach langsam zur Seite neigte und
Nerina unter sich begrub. Die Bretter drückten sie gegen die Planken, ohne dass
sie sich wehren konnte. Sie versuchte, das Gesicht zu schützen, indem sie einen
Arm über sich legte. In ihrer Verzweiflung griff sie nach dem Amulett, das sie
um den Hals hängen hatte. Jetzt benötigte sie diesen Schutz dringend. Von einem
Stützbalken im Rücken wurde sie unerbittlich auf die Decksplanken gepresst,
ohne sich unter ihm hervorarbeiten zu können, und immer wenn eine Welle über
das Boot wegbrach, wurde ihr Kopf überflutet, und sie glaubte zu ertrinken. Das
Ende, dachte sie und wunderte sich, wie ruhig und ergeben sie sich ihm
gegenüber verhielt. So banal kam der Tod, wie im Vorübergehen. Die Matrosen des
Schiffes würden sich nur wundern, wenn sie die Leiche bestatteten und statt
eines Mannes einen Frauenkörper unter den Kleidern fanden, sofern sie nicht
zuvor über Bord gespült wurde.
Sie fühlte, wie ein Teil ihrer
Kleidung zerriss, hörte wie Männer schrien, wie die Bretter der Kabine entfernt
wurden, spürte wie sie plötzlich Luft bekam und der Druck auf ihren Rücken
nachließ.
„Fehlt Ihnen etwas, Signore?“
Die Stimme des Johanniters klang
dünn an ihrem Ohr, obwohl er schrie. Trotz der Verzweiflung, die sie überkommen
hatte, stand eine Forderung für sie klar vor Augen. Jetzt durfte sie nicht
ohnmächtig werden, musste sich zusammennehmen. Ihre Identität als Frau musste
verborgen bleiben. Nicht nur, weil sie befürchtete, dass die abergläubischen
Matrosen ihr die Schuld an diesem Unwetter geben und sie womöglich dem Meer
überantworten könnten, als Sühneopfer sozusagen, sondern weil der Johanniter
ihre wahre Natur nicht erfahren durfte. Sie schüttelte den Kopf.
„Danke für die Hilfe. Grazie. Ich
dachte, ich müsste ertrinken.“
Der Johanniter lachte und brüllte.
„Dafür ist der Sturm doch zu
harmlos. Nur eine Gewitterfront im Spätwinter. In einer Stunde ist der Spuk
vorüber.“
Mit einem kräftigen Ruck packte er
sie unter den Armen und zog sie hoch, dabei fühlte sie, wie er vorsichtig ihren
Körper abzutasten versuchte. Wie zufällig wirkten seine Bewegungen. Rasch
machte sie sich los.
„Grazie, Signore. Wirklich, es ist
nichts. Dabei dachte ich, in dem Bretterverschlag wäre es erträglicher.“
Spöttisch beobachtete sie der
Johanniter, und der Blick aus den grauen Augen ging ihr durch und durch und
blieb an ihrem Amulett hängen. Ahnte er etwas? Verstohlen schob sie ihr Amulett
zurück unters Hemd, blickte an sich herab und kontrollierte ihre Kleidung. Nur
die Ärmel ihres Mantels und ihrer Bluse hingen zerfetzt am Arm. Ein Riss
brannte, blutete aber kaum. Ansonsten verbarg die Kleidung weiter ihre
Weiblichkeit. Sie verschränkte die Arme vor der Brust, was ebenso gut bedeuten
konnte, dass sie fror, und tatsächlich hängte ihr einer der Matrosen, der an
ihnen vorbeikam, um die letzten Bretter der Kabine über Bord zu werfen, ein
dichtes Segelleinen um. Ihr Blick suchte die Kiste mit dem Bild, die von einem
Matrosen ebenfalls mit einer Leine gesichert wurde.
„Ihr seid das erste Mal in Malta?“
Der Johanniter brüllte gegen den
Sturm an. Nerina nickte ihm zu. Ohne es beeinflussen zu können, schlugen ihre
Zähne aufeinander, ob aus Kälte oder aus Angst vor Entdeckung oder weil sie den
Zusammenbruch des Verschlags überlebt hatte oder aus allen Gründen zusammen,
konnte sie nicht sagen.
„Sucht Ihr jemanden auf der Insel?“
Nerina schüttelte den Kopf.
„Dann wollt Ihr in den Orden
eintreten. Als Festungsbaumeister? Ihr seid von Adel?“
Mit einem schnellen Blick musterte
Nerina den Johanniter, der sie weiter scharf musterte und in der Zeit seit
ihrer Rettung keine Sekunde aus den Augen gelassen hatte.
„Wenn es möglich ist!“, antwortete
sie leise, aber der Johanniter schien sie verstanden zu haben. „Wenn die
Malteser mich
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