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Das Vermaechtnis des Caravaggio

Das Vermaechtnis des Caravaggio

Titel: Das Vermaechtnis des Caravaggio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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der
Johanniter an. Im Oratorium verstärkte sich der Klang seiner Stimme zu einem
hohen Zischen, das widerhallte. Erstmals sah er sie an. Sein Blick wanderte
über ihr Gesicht, ihren Oberkörper und blieb auf ihrem Amulett haften, das er
lange wortlos anstarrte. „Ihr kommt als Unterhändlerin? Ihr wollt den
hinterhältigen Tod meines Bruders mit Geld aufwiegen und so ungeschehen
machen?“
    „Kein Tod kann ungeschehen gemacht
werden. Immer bleiben Wut und Trauer über ein vergeudetes Leben zurück. Aber
der Hass gebiert den Hass, das Elend schafft Elend, Rache fordert die Rache und
endlos so fort. Wollt Ihr nicht den Kreislauf unterbrechen? Wollt Ihr Euch
nicht als Ritter des Heiligen Johannes der christlichen Tugend erinnern, die
das heißt: Liebet Eure Feinde, tut Gutes denen, die Euch Böses getan haben?“
    „Niemals kaufe ich das Leben meines
Bruders zurück. Außerdem will ich nichts von diesem Schmierfinken, nichts als
sein erbärmliches Leben.“ Fra Domenico stand auf und wandte sich ihr zu. Sein
Gesicht wirkte wie eine Maske, hart und glatt. „Die Angst soll ihn langsam erwürgen,
langsam, damit ich es genießen kann. Die Luft soll es ihm abschnüren, die Sinne
soll es ihm verwirren, die Lust soll ihm versiegen, bis nur eine pergamentene
Hülle zurückbleibt, die nichts mehr mit dem Michelangelo Merisi zu tun haben
wird, den ihr alle zu kennen geglaubt habt. So lange werde ich seine Nähe
suchen, so lange werde ich ihm die Vergnügungen der Lebens ausblasen, bis der
Leuchter seines Lebens endgültig erlischt und sich das Pergament in der letzten
Flamme verzehrt.“
    Nerina verstand nicht, was der
Johanniter damit sagen wollte. Verfolgte er Michele nicht, um Vendetta,
Blutrache an ihm zu üben, die Familienehre wieder herzustellen? Ihr wurde heiß
in der Kleidung, die sie mit Leibbinden in männlicher Form hielt. Zwar kühlte
das Innere des Oratoriums die Tageshitze, trotzdem wärmten Hose, Wams und
Aufregung.
    „Warum, Fra Domenico, warum begibt
sich ein christlicher Ritter in die Niederungen des Aug um Auge, Zahn um Zahn?
Heißt nicht der Wahlspruch des Neuen Bundes: Liebet Euren Nächsten wie Euch
selbst?“
    Starr sah er an ihr vorbei, dann
kam plötzlich Bewegung in den Johanniter. Er stieß sie beiseite, als er aus der
Kniebank trat und stürmte zum Ausgang.
    „Wollt Ihr mir nicht antworten oder
scheut Ihr eine Antwort, weil sie die Wahrheit berühren würde?“, rief sie ihm
hinterher.
    An der Schwelle zum Vorraum blieb
Fra Domenico stehen und zeigte hinüber zum Bild.
    „Obwohl der Henkersknecht seinen
Dolch hinter dem Rücken verbirgt, damit Johannes ihn nicht sehen kann, obwohl
er ihn damit bereits tödlich verletzt hat, wird er ihn wieder verwenden, um den
Kopf gänzlich vom Rumpf zu trennen. Er vergisst seinen Auftrag nicht! Nur das
kann meine Antwort sein, und Michele weiß das.“
    „Bleibt und erzählt!“ Sie flüsterte
den letzten Satz nur noch. Doch Fra Domenico verließ das Oratorium, ohne sich
noch einmal umzudrehen. „Für diesen unversöhnlichen Hass muss es doch einen
Grund geben, der über den Tod des Bruders hinausgeht.“ Fra Domenico konnte sie
nicht mehr hören.
    „Den könnte ich Euch nennen!“
    Nur der Pater im Hintergrund konnte
diesen Satz gesagt haben. Mit zusammengebissenen Zähnen, damit sie nicht zu schreien
anfing, drehte sich Nerina herum.
    „Wer seid Ihr?“
    „Oh, Ihr kennt mich“, meinte der
Pater leichthin und stand auf. „Ich wollte nur eben Eure ehrenvollen Bemühungen
um die Beendigung einer Vendetta nicht unterbrechen.“
    „Pater Leonardus! Aber  – wie kommt
Ihr hierher. Was tut Ihr hier?“
    Ungläubig starrte Nerina den Pater
an. So viel Zufall konnte es unmöglich geben. Die Welt schrumpfte zwar immer
mehr, und man bekam das Gefühl, alles wachse zu einem Dorf zusammen, in dem
jeder jeden persönlich kannte, aber hier in Malta mit Pater Leonardus
zusammenzutreffen, grenzte an ein Wunder.
    „Ich glaube, ich weiß, was Ihr
denkt. Aber ich spioniere nicht Euch nach, sondern meinem Bruder. Und das im
Auftrag Kardinal Borgheses. Ihre Eminenz wünscht, dass ich Bilder aufkaufe, die
Euer Lehrer und Gönner auf die Leinwand wirft. Er erweist sich als fleißig.
Vier Gemälde in sehr kurzer Zeit auf Malta!“
    Nerina versuchte ihre Überraschung
hinunterzuschlucken. Sie überlegte nur, welche Begegnung für sie gefährlicher
war, die mit Fra Domenico oder die mit Pater Leonardus. Wie hatte er sie
erkannt? Natürlich, ihre Stimme, das Thema des

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