Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Vermaechtnis des Caravaggio

Das Vermaechtnis des Caravaggio

Titel: Das Vermaechtnis des Caravaggio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
Vom Netzwerk:
spannen die
lästernden Mäuler eine neue Fama.
    Nerina fühlte sich unwohl inmitten
der Gäste, die der Genueser Kaufmann de’ Lazzari geladen hatte, um Micheles
Bild feierlich zu präsentieren. Obwohl sie es in einem von de’ Lazzari eigens
für sie angefertigten Kleid mit den Schönsten im Saal aufnehmen konnte,
frisiert nach der neuesten Mode, eine Haube über dem Haar und mit geliehenem
Schmuck leuchtend wie ein Juwel, fühlte sie spöttische Augen auf sich und
Michele gerichtet.
    Michele selbst trank unmäßig und
hockte halb zusammengesunken auf seinem Stuhl, ohne die Gesellschaft zu
würdigen. Stumm kauerte er neben ihr, und nur ab und zu schoss er hasserfüllte
Blickpfeile in die Runde, denen wiederum Getuschel und Geflüster folgten.
Hinter dem Hausherrn, auf einer Staffelei, stand die Auferstehung des Lazarus,
noch verborgen unter einem weißen Leinentuch, mächtig aufragend und drohend.
    Die Tische bogen sich unter den
Speisen, gekochtes Gemüse, Zucchini, Paprika und vieles, was sie nicht kannte,
Fleisch verschiedenster Art von Wild, Geflügel, Rind und Schaf, dazu Gewürze
aus den Ländern des Ostens, Pfeffer und Safran, Muskat und Zucker, Nelken und
Zimt für den Wein, der, wenn gewünscht, leicht erhitzt wurde. Eine stattliche
Anzahl dienstbarer Geister schwirrte um die Tische und Stühle, reichte von den
Platten, schenkte nach, trug auf und ab und vermittelte Nerina den Eindruck,
als befände sie sich auf einem der arabischen Basare, die im Süden Italiens und
auf Sizilien durchaus noch zu finden waren.
    Sie fühlte, dass Michele dem
Jahrmarktstreiben dieses gesellschaftlichen Großereignisses in Messina nichts
abgewinnen konnte, dass es ihn bedrückte, öffentlich zur Schau gestellt zu
werden, und nur die dringende Bitte des Hausherrn, der sich eben erhob, hatte
ihn davon überzeugen können, heute hier zu sitzen. Dennoch betäubte er sich mit
Wein.
    Kaum stand Giovanni Battista de’
Lazzari und reckte seine korpulente Gestalt in den Raum, erstarben alle
Gespräche, und die Köpfe der Anwesenden drehten sich ihm zu.
    Für Nerina wirkte alles wie eine
Puppenvorstellung, nur dass die Spieler unsichtbar und die Vorführpuppen neben
dem Hausherrn saßen und aus Fleisch und Blut waren: Michele und sie selbst,
wobei sie eine eigenartige Rolle zu spielen hatte. Wie ein Rahmen rundete sie
das Bild ab, Kontrast und Gegenentwurf, erster Spannungsbogen in einem mehrere
Akte umfassenden Stück.
    „Meine lieben Freunde“, begann de’
Lazzari nach einer angemessenen Pause, in der die Stille beinahe absolut wurde
und Nerina ihren Herzschlag zu hören begann. Nicht einmal die Bediensteten
wagten sich zu rühren und standen starr und wie angewurzelt dort, wo sie sich
zuletzt befunden hatten. Der Jahrmarkt hatte sich in einen Garten aus Statuen verwandelt.
„Für Messina ist dies ein großer Augenblick. Seit einigen Monaten beherbergen
wir in unseren Mauern einen der bedeutendsten Künstler unserer Zeit, den Cavaliere
di Grazia, Ritter des Kreuzes, Michelangelo Merisi, genannt Caravaggio.“
    Beifall schäumte auf, der, wie
Nerina beobachtete, Michele noch weiter in seinen Stuhl drückte. Auch sie
überlegte, welche Folgen diese Zurschaustellung seiner Person haben musste. Sie
wollten heimlich reisen, versteckt arbeiten, um dem Johanniter zu entfliehen.
So aber entstanden Gerüchte, wurde die Kunde seiner Anwesenheit wie ein
Lauffeuer verbreitet. Die Zeit ihres Aufenthaltes in Messina war damit gezählt,
trotz des Schutzes, trotz der verschwiegenen Relegation aus dem Orden der
Johanniter, trotz der Unterstützung des Senats.
    „Für die Chiesa dei Crociferi
unserer Stadt ließ er sich überreden, ein Bild zu malen, das mit
bewundernswürdiger Schnelligkeit und Zielstrebigkeit fertiggestellt wurde,
trotzdem Caravaggio an den Folgen einer schweren Erkältung zu leiden hatte.“
    Wieder klatschten die Hände
Beifall, obwohl die Gesichter wie versteinert blieben. Noch hatte man das Bild
nicht gesehen, noch kannte man es nur von den Berichten der wenigen her, die
Gelegenheit und den Mut gehabt hatten, das Atelier Messer Caravaggios zu
besuchen. Nerina schmunzelte, wenn sie daran dachte, dass Michele mit seiner
Schrulle, auf einem echten Leichnam als Vorlage des Lazarus zu bestehen, die
halbe Stadt davon abgehalten hatte, sie zu besuchen.
    De’ Lazzaris Worte fielen wie
Perlen in den Raum, rund und geschmeidig, und man konnte sie beinahe Klicken
hören, wenn sie auf dem Boden auftrafen. Jetzt trat er an das

Weitere Kostenlose Bücher