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Das Vermaechtnis des Caravaggio

Das Vermaechtnis des Caravaggio

Titel: Das Vermaechtnis des Caravaggio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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Gemälde heran und
zog an dem weißen Leinentuch, das sich teilte und zu Boden fiel.
    „Hier darf ich erstmals den besten
Familien Messinas die Auferstehung des Lazarus aus der Hand unseres geschätzten
Messer Caravaggio zeigen, bevor es in die Cappella principale gebracht wird.“
    Zum dritten Mal brandete Beifall
auf, diesmal weniger verhalten, sondern ehrlich und offen.  Die Köpfe reckten sich,
und die Gäste standen von ihren Stühlen auf, um einen ungehinderten Blick auf
das Meisterwerk zu erhaschen, das sich in seiner ganzen wuchtigen Größe vor
ihnen befand. Voller Stolz und sich des Gewichts seiner Person bewusst, stand
der Genueser Kaufmann neben dem Gemälde, und es schien Nerina, als präsentiere
er eigentlich sich, nicht das Bild.
    Aus den Augenwinkeln heraus
beobachtete sie Michele, der sich in einem Becher Wein verlor, ihn rasch und
hastig austrank, sodass ihm ein kleines Rinnsal aus dem Mundwinkel floss und
auf sein Wams tropfte, wo es sofort im mürben Stoff versickerte. Seine Hand
zitterte, sein Gesicht nahm eine purpurne Färbung an, untrügliche Anzeichen für
seine Erregung. Wie das Wasser in einem Fluss bei heftigen Regenfällen
schwillt, so stieg in ihm der Zorn an über die Gaffer mit ihren vom Essen
feisten Bäuchen und speckigen Mündern.
    Manche standen auf, scharten sich
um de’ Lazzari, um das Gemälde genauer zu betrachten. Immer mehr Gäste
sammelten sich davor, diskutierten Farben und Formen, Art der Darstellung und
Bedeutungen. Ein Wunder sei es und eine Ohrfeige für den Papst, gelungen sei
die Idee, Christus an den Rand des Bildes zu verbannen, da der Mensch mit
seinem Willen dadurch in den Mittelpunkt gerückt werde, und erst die Haltung
der Frauen, als würden sie, die Gebärerinnen und Hüterinnen des Lebens, ihn
wachküssen, flüsterten sie. Manche verstiegen sich so weit, dass sie meinten,
niemand würde Christus beachten, alle würden auf das Licht hinter ihm blicken.
Der Stellvertreter Gottes auf Erden würde nur einen weit größeren Willen
ausführen, und eben dieses Licht aus dem Jenseitigen sei es, in das Lazarus
seine Hand halte und die ihn ins Leben zurückrufe, und eben das sei eine Absage
an die christliche Grundhaltung und eigentlich ein protestantischer Gedanke.
    Michele rief nach einem Diener, der
ihm einen Becher frischen Weines einschenken sollte. Seine Gier wuchs mit
seiner Ungeduld, diese Worte mit anhören zu müssen. Nerina legte ihm ihre Hand auf
den Arm und versuchte ihn so zu beschwichtigen, aber als er den Kopf wandte, um
sie anzusehen, konnte er sie aus seinen wässrig unterlaufenen Augen vermutlich
nur mehr schwer erkennen.
    „Michele! Sie verstehen es nicht!“,
beschwor sie ihn, aber er zuckte nur unwirsch mit dem Arm.
    Plötzlich änderte sich das Summen
der Stimmen. Hatte es bislang einen positiven, beinahe ehrfürchtigen Ton
enthalten, gerieten jetzt scharfe Töne dazwischen. Zuerst verstand Nerina nichts,
horchte nur auf den aggressiveren Klang der Stimmen, dann aber, langsam, als
würde sich eine Einsicht durch die Menge hindurch fortpflanzen, drang Kritik an
ihre Ohren.
    Das Bild sei unfertig, der
Pinselstrich zu fahrig, die Art zu arbeiten oberflächlich wie die Gedanken, die
sich nicht mehr in einem traditionellen Bildthema verankerten und daran
festhielten, sondern unnötig umherschweiften. Ob darin die Furcht, überrascht
zu werden, sich spiegle, wurde geflüstert, ob die Dunkelheit, die Lazarus’
Erweckung überschatte, sich nicht als Dunkelheit im Geiste des Schöpfers
ankündige?
    Michele hielt sich an seinem Becher
fest, presste das Zinn, sodass die Fingerknöchel weiß hervortraten und das
Metall kreischte. Die Dämme, die er mit Mühe und Wein gegen das Geschwätz
dieser Dilettanten errichtet hatte, hielten, nur Nerinas Hand schüttelte er
unsanft ab, für sie ein Zeichen höchster Erregung.
    „Messer Caravaggio!“ Ein feister
Kaufherr sprach ihn an, einer der Senatoren, die ihnen zu Beginn des Gastmahls
vorgestellt worden waren und dessen Namen Nerina längst vergessen hatte.
Michele schreckte hoch und sah ihn zuerst verständnislos an. „Wagt Ihr Euch
nicht etwas zu weit vor, wenn Ihr die Farbe der Tuniken unseres Herrn und die
der Frauen im gleichen Rot ...“
    Michele sprang auf, sodass der
Stuhl hinter ihm umstürzte und auf den Boden polterte.
    „Was wagt Ihr, mich zu kritisieren?
Wenn Euer Verstand ebenso feist wäre wie Euer Wanst, würdet Ihr erkennen, dass
es kein Fehler ist, sondern Absicht, Notwendigkeit. Euch

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