Das Vermaechtnis des Caravaggio
Augen, dass dieser Pater ein doppeltes Spiel mit ihm trieb. Einerseits
hatte er sich von ihm anwerben lassen, andererseits diente er ohne Skrupel
weiter seinem Oheim und arbeitete diesem in die Hände. Langsamen Schritts
umrundete er Kardinal Gonzaga, der mit der Fußspitze weiter Figuren in den Sand
zeichnete.
„Das letzte Kapitel ist es immer
noch nicht. Nachdem Eurem Oheim vom Bischof von Syrakus mitgeteilt worden war, dass
Caravaggio ein neues Bild über die Grablegung der Heiligen Lucia gemalt hatte,
schickte er ihm sofort Pater Leonardus nach, und in seinem Gefolge kam der Johanniter.
Etwas Stolz und Angeberei führten Caravaggios Verfolger auf seine Spur. Ein
Fehler des Bischofs, aber damit konnte Euer Oheim einen Plan zum Laufen
bringen, dessen Folgen ihr jetzt seht.“
Wie versteinert stand Scipione
Borghese und starrte auf den Rücken des jungen Gonzaga, den er selbst auf den
Kardinalsstuhl gehoben hatte, um einen Verbündeten zu besitzen, und jetzt
redete er über das Problem, über das er ihn hatte aushorchen wollen, als wüsste
er seit Wochen und Monaten Bescheid, als wäre er Jahrzehnte mit den Schlichen
und Winkelzügen des Kardinalszirkus’ vertraut und spiele drauf wie auf einem
Instrument, das er virtuos zu beherrschen gelernt hatte.
„Von welchem Plan sprecht Ihr,
Eminenz?“
Nur selten redete er Ferdinando
Gonzaga mit Titel an, um ihm seine Stellung deutlich vor Augen zu führen:
Kardinal dank seiner Hilfe. Doch diesmal wies dieser Jüngling ihn in die
Schranken, und das erforderte Ehrerbietung. Lief er selbst mit blinden Augen
durch die Welt? Hatte er auf die falschen Berichterstatter gesetzt oder
möglicherweise mit seinem Ziel zu kurz gegriffen? Langsam drehte sich
Ferdinando Gonzaga zu ihm um. Sein Gesicht war völlig ausdruckslos, als ließe
ihn die Geschichte unbeteiligt.
„Eigentlich spreche ich von zwei
Plänen, Euer Eminenz. Dem Euren, der darauf abzielt, Caravaggio am Malen zu
halten. Hat nicht Pater Leonardus den Auftrag, Caravaggio in Schwierigkeiten zu
bringen, sodass er Geld benötigt, um daraus unbeschadet wieder hervorgehen zu
können? Es sollte Euer Geld sein, das ihm dabei hilft, nicht wahr? Mit Bildern
als Gegenleistung!“
Nur das Rauschen des Windes in den
Rebenpflanzungen drang an die Ohren Scipione Borgheses und das Graben und
Fluchen von der Baustelle her. Ohne mit der Wimper zu schlagen, sah ihn
Ferdinando Gonzaga an. In seinem eher blasiert und unbeteiligt wirkenden
Gesicht bewegte sich kein Muskel, als sähe er vor sich eine Maske. Was sollte
Scipione Borghese jetzt sagen? Sein Protegé hatte ihn durchschaut. Jetzt gab es
nichts weiter zu beschönigen.
„Und der zweite Plan?“
Ferdinando Gonzaga blickte zurück
auf den Platz, der einmal das Casino Borghese einnehmen würde und zu dem jetzt
ein Aushub rötlicher Erde und Gestrüpp aus Wurzeln und Ranken die Sicht
versperrte.
„Caravaggio wird getrieben wie ein
Vieh.“
„Wie meint Ihr das?“
„Zwei Folgen wird dies haben.
Einmal kann Caravaggio stolpern, weil er hastig von einem Ort zum anderen
wechselt. Wenn er lang hinschlägt und sich dabei zufällig das Genick bricht – schade
drum, aber erfolgreich. Caravaggio wäre tot – und für Euren Oheim ein Problem
aus der Welt geschafft. Allerdings bliebe an der Familie Borghese etwas haften.
Irgendwann müsste Euer Oheim das Gerücht streuen lassen, dass Eure Gier nach
Bildern von Michele Merisi den Maler in den Tod getrieben hat. Bedauerlich
zwar, aber durchaus Wert, darüber nachzudenken. Ein gewisser Pater Leonardus
zeugte sicherlich gegen Euch, schließlich hat er verbreiten lassen, dass mit
Euren Geldern die Wärter bestochen wurden, die Micheles Flucht erst ermöglichten.“
Selbst zwischen den duftenden
Rebstöcken bekam Scipione Borghese Atemnot. Was dieser Gonzaga ihm hier
unverblümt eröffnete, war eine Intrige von einem Ausmaß, wie er sie sich nicht
recht vorstellen konnte. Sein Name wurde mit einer Affäre verknüpft, die ihm
seinen guten Ruf kosten konnte. Und er wusste nichts davon, glich einem
unbescholtenen Kind, das mit blauen Augen durch die Welt läuft. Durfte er
seinen Oheim tatsächlich mit dieser Falle in Verbindung bringen? Aber es gab niemanden
sonst, der in der Lage gewesen wäre, solche Pläne zu schmieden und
durchzuführen. Nicht in der spanischen Fraktion und nicht in der italienischen.
Oder steckte dieser Kardinal Del Monte dahinter? Ihm traute er es ebenfalls zu.
Aber hatte dieser ein Motiv, gab es für ihn einen
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