Das Vermaechtnis des Caravaggio
vatikanische Verhältnisse eine
rasende Geschwindigkeit. Wenn man allein bedenkt, wie lange es dauert, bis
einem Ketzer wie diesem Mönch Campanella mit seinem Buch „Der Sonnenstaat“ der
Prozess gemacht wird. Eine einzige Verhöhnung der christlichen Ordnung. Dagegen
sind die angeblichen Verbrechen eines Caravaggio Lausbubenstreiche!“
Ferdinando Gonzaga zuckte mit den
Schultern.
„Wer sollte hier seine Hand
reichen? Ihr seht Gespenster.“
„Lieber Ferdinando Gonzaga,
Caravaggios Flucht, die sich anfänglich ausgenommen hat wie ein Abenteuer,
erscheint mit jedem Tag, den sie dauert, hoffnungsloser. Zuerst gelingt ihm ein
spektakuläres Entkommen aus einer Festung, die dafür bekannt ist, dass man die
letzten Skelette der darin vergessenen noch nicht einmal gefunden hat. Dann
setzt er nach Syrakus über, nur um festzustellen, dass ihm kurze Zeit später
der Johanniter, sein Verfolger, wieder an den Fersen haftet. Doch wie erklärt
sich, dass er ihn in Ruhe lässt, dass er ihn offenbar nur erschreckt, seine
Anwesenheit dazu benutzt, den Maler in eine panische Furcht zu versetzten, die
nur zu weiterer Flucht und wieder einer anderen Stadt führt? Und dort spürt ihn
der Johanniter auf ...“
„... und jagt ihn weiter, immer
weiter.“
„Zuletzt nach Messina und Palermo –
und von dort?“
„Möglicherweise nach Neapel
zurück!“
Bedächtig nickte Scipione Borghese.
Davon ging auch er aus.
„Warum passt er ihn nicht ab? Warum
erschlägt er ihn nicht hinterrücks und rächt sich oder seinen Orden so an ihm?
Weil alle Welt weiß, dass er hinter ihm her ist.“
Interessiert betrachtete Ferdinando
Gonzaga die Blüten der lila Kartoffelpflanze, die er am Wegrand entdeckte. Er
ging in die Knie, um sich die Blüten zu betrachten.
„Angeblich soll das Gewächs aus der
neuen Welt stammen, Kardinal.“
Scipione Borghese nickte
geschmeichelt. Tatsächlich von dort eingeführt, zierte deren sanftes Lila die
Gärten der Reichen. Essbar sollte die Knolle sein, was aber nicht stimmte. Hart
und bitter, besaß sie keinerlei Nutzen. Der Kapitän, von dem er die Pflanzen
erhalten hatte, hatte ihm hier wohl Seemannsgarn aufgetischt, aber die Blüten
sahen erfrischend hübsch aus.
„Ferdinando. Seien wir ehrlich
zueinander. Ihr habt Euren Sekretär Enrico nach Sizilien geschickt. Ich weiß
es. Hat er mehr erfahren? Hat er herausgefunden, warum der Johanniter nur
droht?“
Erwartungsvoll blieb Scipione Borghese
stehen und beobachtete Kardinal Gonzaga. Dieser erhob sich wieder und ging
einige Schritte weiter, als müsse er überlegen, wie viel und was er seinem
Amtskollegen eröffnen durfte. Für Scipione Borghese entschied sich jetzt, ob er
es mit einem Freund oder einem Gegner zu tun hatte, denn einen Teil der
Eröffnung kannte er.
„Enrico“, begann dieser, ohne sich
umzudrehen, „Enrico schreibt regelmäßig. Er schreibt auch über Pater Leonardus,
der, wenn wir uns nicht irren, Euer Mann ist. Er scheint aber gleichzeitig der
Mann des Papstes zu sein, jedenfalls gehen von ihm zweierlei Schreiben aus,
einmal an Euch, ein andermal an seine Heiligkeit.“
„Gut, das ist mir durchaus bekannt.
Was hat das mit der Flucht Caravaggios zu tun?“
Etwas verlegen zeichnete Ferdinando
Gonzaga mit der Spitze seines seidenen Schuhs Figuren in den Sand.
„Wenn ich Enricos Briefen glauben
darf, dann geht der Plan für die Flucht aus Sant’Angelo auf ihn zurück. Zuvor,
konnte Enrico in Erfahrung bringen, besprach er sich mit dem Großmeister, der
schließlich mit unserer Heiligkeit, Papst Paul V., befreundet ist. Glaubt Ihr
an Zufälle, oder gar an Wunder?“
Erst musste Scipione Borghese über
das nachdenken, was er eben erfahren hatte. Schließlich weihte ihn der junge
Gonzaga zwischen den Zeilen in etwas ein, was er erst jetzt langsam zu
begreifen begann.
„Ihr meint, die Flucht war
inszeniert?“
„Und ging glücklich aus, weil die
Adlata Caravaggios das einzig Richtige tat, nämlich Pater Leonardus zu misstrauen.
Sie floh mit Hilfe eines Fischers von der Halbinsel, nicht mit dem von Pater
Leonardus besorgten Boot. Hätte sie auf ihn gewartet, wären sie von ihm direkt
an die Johanniter ausgeliefert worden. Ein todeswürdiges Verbrechen wäre es
gewesen für einen Ordensritter wie Caravaggio, und für Alof de Wignacourt hätte
es keinen Spielraum mehr gegeben außer Hinrichtung und einen schnellen Tod,
legitimiert durch das gesetzeswidrige Verhalten des Malers.“
Wie Schuppen fiel Scipione Borghese
von den
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