Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Vermaechtnis des Caravaggio

Das Vermaechtnis des Caravaggio

Titel: Das Vermaechtnis des Caravaggio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
Vom Netzwerk:
Ihr Euren Bruder?“
    Langsam drehte sich der Pater zu
ihr um und schien sie ebenso gegen den Sternenhintergrund zu mustern, wie sie
zuvor ihn.
    „Ich hasse ihn nicht. Nein. Ich
verabscheue seine Art, wie er mir begegnet. Ich verachte seine Lebensführung,
die nur Wein und Huren kennt, ich verurteile seine Bilder, die das Reine und
Unverdorbene der göttlichen Botschaft ausschließen und es ins Gemeine hinab ziehen,
wie es das Wasserleuchten tut. Schöner Schein, aber gefährlich für Leib und Seele,
eine Versuchung für Geist und Gefühl. Aber Ihr erwähntet etwas von einem
Geschäft!“
    Nerina kämpfte mit sich. Ihre
Stimmung schwankte zwischen Furcht und Hoffen, und die mondgetränkte Fläche des
Meeres schien ihr nicht dazu angetan zu sein, ins Schachern zu verfallen. Zu
unheimlich lag das Licht über den Wellen, zu unwirklich flammten die
Wasserfeuer auf und erloschen wieder, kaum dass man sie erblickt hatte.
    „Seid Ihr nicht hier, um ein Bild
aus dem Pinsel Micheles zu erwerben?“
    „Für mich dürfte er kaum malen. Ein
schwieriges Unterfangen also.“
    „Und wenn ich mich dafür einsetzte?
    „Was muss ich als Gegenleistung
dafür unternehmen?“
    Langsam stieß sich Pater Leonardus
von der Reling ab und kam auf Nerina zu. Trotz der Flut des Mondlichts lag sein
Gesicht im Schatten. Für einen Moment glaubte Nerina, er hätte es tatsächlich
verloren und ein gähnender Schlund sehe sie an. Nur mit Mühe widerstand sie der
Regung, wegzulaufen.
    „Indem Ihr Michele in Neapel
unbehelligt an Land lasst!“
    „Um selbst als Verräter für immer
und ewig in den Verliesen Sant’Angelos zu verschwinden. Nein. Außerdem ist mir
ein Versprechen dieser Art zu unsicher. Wie komme ich zu meinem Bild, wenn
Michele frei ist und in Neapel Beschützer findet? Er wird mich nicht mehr
kennen.“
    „Dass es nicht so kommt, dafür
stehe ich ein.“
    Pater Leonardus hustete leise in
die offene Hand. Erst jetzt bemerkte Nerina, dass der Nachtwind tatsächlich
abgekühlt war und sie frösteln ließ.
    „Ich werde Monate warten müssen,
bis es fertig ist.“
    „Und wenn ich für Euch ein Bild
hätte? Ein fertiges! Ein Bild, an dem Ihr sicherlich interessiert seid, denn es
zeigt Euch und Eure Schwester ...“
    „Das Haupt des Johannes? Ich dachte
es sei ...“
    Ein Windstoß fuhr in das
Lateinersegel, das sich blähte, und das Schiff, das ohnehin schräglastig war,
weiter auf die Meeresoberfläche hinab drückte. Im selben Augenblick verlor
Nerina das Gleichgewicht und stürzte in die Arme des Paters, ohne es zu wollen.
    „Ein netter Fang.“
    „Mit dem Ihr, Pater, wenn ich recht
unterrichtet bin, nichts anzufangen wisst.“
    Rasch machte sie sich los und
bemerkte eine Gänsehaut, die ihren gesamten Körper bedeckte. Angst, stellte sie
nüchtern fest.
    „Ich bin kein Kostverächter.“
    Nerina zog sich bis zum Mast zurück
und hielt sich dort an einem Seil fest. Der Mondspiegel zerbrach in größere
Wellen, und Nerina dachte daran, dass zerbrochenes Glas Unglück herbeizitieren
sollte. Ob dieser Aberglaube auch für die spiegelglatte See galt, die langsam
zerfiel, wusste sie nicht zu sagen.
    „Das Bild existiert – und Ihr seid
darauf verewigt.“
    „Hat dieser Hurenbock es doch
wieder gemalt. Allein dafür müsste man ihm die Augen mit glühenden Stangen
ausbrennen.“
    Im gesamten Schiff erscholl ein
Ächzen und Stöhnen, sodass Nerina glaubte, es werde auseinanderbrechen. Aber
der Mast gab nur die Kräfte weiter, die an ihm selbst zerrten – und ihre Fahrt
beschleunigte sich merklich, was an den Gischtfontänen deutlich wurde.
    „Seid Ihr interessiert?“
    „Wo ist das Bild?“
    „Ihr sagt zu, und ich besorge es
Euch! In Neapel!“
    „Es ist nicht zerstört?“
    „So wahr ich hier stehe. Es zeigt
Euch, Fra Domenico und Eure Schwester, ganz wie Michele es konzipiert hat – und
alle in nicht eben schmeichlerischer Pose um den Kopf Johannes des Täufers
versammelt, seinen eigenen Kopf, den Caravaggios.“
    Mehr als sie sah, ahnte Nerina, wie
sich die Miene Pater Leonardus verzerrte, wie er sich auf die ohnehin schon
schmalen Lippen biss und versuchte, sich zu beherrschen. Wie sie wusste er, dass
dieses Bild für ihn eine Gefahr darstellte. Wenn es in Rom in Umlauf kam, wenn
es in die Sammlung Scipione Borgheses aufgenommen wurde, dann endete damit
seine eigene kirchliche Laufbahn. Jeder würde die Botschaft des Gemäldes deuten
können. Niemand würde ihn mehr übernehmen, ihm eine Chance geben,

Weitere Kostenlose Bücher