Das Vermaechtnis des Caravaggio
seine Pläne, seine Wünsche waren
zerstört. Michelangelo Merisi, dessen Werke sein Casino in den Pincio-Gärten
hätte schmücken sollen, würde nie wieder einen Pinsel in die Hand nehmen. Er
fühlte einen unbändigen Zorn gegen seinen Oheim, denn dass dieser den Auftrag
zu dem Verbrechen gegeben hatte, lag für ihn klar auf der Hand. Wie war er
gestorben? Händel? Ein Duell? Er raufte sich die Haare, obwohl das Wissen um
die Umstände seines Todes nichts an der Tatsache geändert hätte, dass der Quell
dieser Wunder in Öl und Farbe versiegt war.
Er bereute es bereits, den Boten
nicht weiter ausgefragt zu haben. Vielleicht hätte er ihm über den Inhalt des
Briefes hinaus das eine oder andere Gerücht mitteilen können. Mit Briefen
wurden ja nicht nur schriftliche Informationen transportiert. Wie von selbst
wanderten mit ihnen mündliche Botschaften hin und her, die mindestens ebenso
wertvoll waren wie die Zeilen, die in den Schriftstücken festgehalten waren.
Er schritt vor seinem Schreibtisch
auf und ab. Die Täfelung der Wände mit ihren Intarsien, an denen er sich sonst
erfreute, die Deckenmalereien mit ihren antiken Themen, all das zerstreute ihn
jetzt nicht. Im Gegenteil, er fühlte ihre bedrückende Künstlichkeit. Er musste hinaus,
hinaus in den Innenhof, in den Garten, durchatmen, Luft in die Lungen füllen.
Kein Dispens war mehr notwendig, keine ihrer Intrigen oder Schliche hatte den
gewünschten Erfolg gezeitigt. Er rechnete nach. Mehr als vier Jahre waren
vergangen, seit Caravaggio Rom verlassen hatte, vier Jahre des Kampfes, der
Auseinandersetzung mit seinem Oheim, der mit jedem Monat schwieriger und
grüblerischer wurde, dessen politische Wende allen jungen Kardinälen schwer zu
schaffen machte, und der sich trotzdem – ein Kompromisspapst – für ewig auf
diesem Thron einzurichten begann. Und jetzt hatte dieser obsiegt.
Mit wehender Soutane durchschritt
er die Säulengänge, die sich zum Atrium hin öffneten, bis er schließlich über
eine Treppe auf den Innenhof hinaustrat. Jetzt, zur Mittagszeit, füllte die
Sonne den Ort mit Hitze, als gieße sie ein Bad aus Wärme und Licht ein. Die
Luft flirrte, die Statuen und Karyatiden schienen sich zu bewegen, als löse die
Glut der Sonne den harten Stein und entlasse die Figuren darin in eine zeitlich
begrenzte Freiheit.
Scipione Borghese dachte über die
Bedeutung dieser Nachricht für ihn nach. Caravaggio tot – und seine Bilder
frei. Er sollte sofort jemanden damit beauftragen, die Bilder aufzukaufen, die
Caravaggio zurückgelassen hatte. Dessen Arbeitswut ließ vermuten, dass eine
ganze Reihe davon in seinem Atelier in Neapel zu finden war.
Er warf flüchtige Blicke auf die
Säulen, die schweren Töpfe mit Erde, in denen Lorbeer und Oleander gediehen.
Ihre harten Blätter raschelten, wenn er dicht an ihnen vorüberging und sie
berührte. Natürlich musste er dies tun, und als beste Verbindung für einen
derartigen Auftrag galt ihm der Sekretär des Kardinals Gonzaga. Ihn musste er
überreden.
Nachdem er diesen Gedanken erst
einmal festgehalten hatte, begann er über anderes nachzudenken.
Sein Oheim durfte damit nicht ungeschoren
davonkommen. Zusammen mit diesem Kardinal Del Monte, der sich sonst sehr
bedeckt hielt und nur im Hintergrund auftrat, musste er einen Denkzettel
erhalten. Aber wie? Und vor allem was? Es würde sich etwas finden, dessen war
er sich sicher, aber im Augenblick schien ihm sein Kopf wie leergeblasen von
dem Satz, der Caravaggios Ermordung anzeigte.
In seinem Rücken knarrte das Tor.
Schritte ließen sich auf der Hofpflasterung hören. Scipione Borghese kannte
sie.
„Seid gegrüßt, Kardinal Gonzaga,
auch wenn Ihr hier lautlos hereinschleicht, wie ein Dieb! Froh bin ich, dass
Euch mein Sekretär so schnell gefunden hat.“
„Ich war ohnehin auf dem Weg zu
Euch. Euer Sekretär machte es dringend, meinte, Ihr hättet eine schlechte
Nachricht erhalten. Welche Nachricht kann so schlecht sein, dass Ihr mich sogar
aus dem Theater holen lasst?“
Mit einem müden Lächeln
kommentierte Scipione Borghese die kleine Notlüge des Kardinals. Unter Theater
verstand er Theatergarderoben, und dort vor allem die der Schauspielerinnen,
und dort wieder ganz bestimmte. Mehr als einmal war ihm zu Gehör gekommen, dass
sich auch der Kardinal umkleidete, jedenfalls entkleidete, und in den kleinen
Zimmern im Bühnenrückraum ein derartiger Lärm herrschte, dass die öffentlichen
Aufführungen gestört wurden.
„Ich will es weniger
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