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Das Vermaechtnis des Caravaggio

Das Vermaechtnis des Caravaggio

Titel: Das Vermaechtnis des Caravaggio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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zögernd
näher. Dann bekreuzigte er sich.
    Kreidebleich und mit den Händen die
Lehnen fest umklammert, saß Kardinal Del Monte in seinem Sessel. Sein Blick
pendelte zwischen dem Kopf des Goliath und der Figur des David hin und her.
Durch seinen leicht offenen Mund drang ein scharfes Pfeifen, was nichts Gutes
verhieß. Innerlich schien er zu kochen, den Mund zu einer Grimasse verzogen, während
er äußerlich versuchte zumindest eine Form von Würde zu bewahren.
    Nur Ferdinando Gonzaga reagierte
so, wie Scipione Borghese es vorausgesehen hatte, nämlich äußerlich gar nicht.
    Beinahe tonlos, in einer hohen
Stimmlage, als wären seine Stimmbänder angekettet und klirrten mit den
Eisenringen, unterbrach Kardinal Del Monte das Schweigen.
    „Der Kopf Goliaths, ein
Gorgonenhaupt, er erinnert mich an Caravaggios Medusa. Nur die Schlangen, die
sich um den Kopf winden, fehlen.“
    „Es wirkt jedoch ebenso bedrohlich.“
    „Wenn ich recht unterrichtet bin,
ist es sein eigenes Haupt, ein Porträt des Künstlers. Eher ungewöhnlich, aber
dafür umso aussagekräftiger.“
    Während er selbst und Kardinal Del
Monte ein Gespräch begannen, beobachtete Scipione Borghese seinen Oheim. Der
starrte noch immer entgeistert auf das Bild. Langsam wanderte sein Blick weg
von der Figur des David, hin zu Kardinal Del Monte und wieder zurück. Ein
unbestimmtes Gefühl sagte ihm, dass sein Oheim entdeckt hatte, zu welchem Zweck
er die Runde der Kardinäle hier versammelt hatte. Mit jedem Blickkontakt sank
Kardinal Del Monte tiefer in seinen Sessel und entfärbte sich eine Spur weiter,
bis er vom Weiß seiner Halsbinde nicht mehr zu unterscheiden war. Selbst der
spitz zulaufende Bart schien auszubleichen.
    Trotzdem konnte Scipione
beobachten, dass zwischen seinem Oheim und Del Monte ein kurzes Nicken hin und
her ging. Was bedeutete es? Oder war er einer Sinnestäuschung erlegen, weil er
eben dies erwartet hatte? Ihm war sehr wohl bewusst, dass es so etwas gab wie
eine sich selbst erfüllende Erwartung. Man zog Schlüsse aus Ereignissen,
verband diese miteinander, da sie sich kurz nacheinander abgespielt hatten,
obwohl sie völlig unabhängig voneinander geschehen waren. Falsch die Schlussfolgerung,
falsch das Handeln. Doch hier glaubte er sich sicher zu sein, obwohl im selben
Augenblick eine Tirade losbrach, die er in ihrer Heftigkeit so nicht erwartet
hatte.
    „Das Bild darf nicht in die
Öffentlichkeit gelangen, Scipione. Verbrennt es oder wenn Ihr das nicht könnt,
versteckt es hinter einem Vorhang. Niemand darf es je zu Gesicht bekommen, am
allerwenigsten das Volk.“
    „Setzt Euch, Oheim, kommt zu Atem –
und dann berichtet mir, was Euch an diesem Bild so stört, dass Ihr Euch derart
erhitzt!“ Jetzt hielt es Scipione Borghese für angebracht, den Umstehenden
deutlich zu machen, dass er wusste, welche Ungeheuerlichkeit in den Bildzeilen
zwischen David und Goliath verborgen lag. „Meint Ihr vielleicht die
Ähnlichkeit, die zwischen dem David und Kardinal Del Montes Jugend besteht?
Seht Ihr darin eine Anspielung auf seine Vorliebe ...“
    Mit einem Schlag auf den Tisch
unterbrach der Papst Scipione Borgheses Enthüllung. Wollte er nicht, dass
Kardinal Ferdinando Gonzaga mithörte, mitbekam, welche Sache hier verhandelt
wurde?
    „Meine Grundsätze, die für die neue
Kirche gelten sollen, werden mit diesem Bild untergraben. Es ist eine
Kriegserklärung.“
    „Übertreibt Ihr nicht etwas, Oheim?
Es gleicht vielmehr einem Roman, einem amüsanten Roman sogar, wenn man die Ikonografie
zu lesen versteht.“
    Paul V. biss mit den Zähnen seine
Lippen blutig. Jetzt wurde er taxiert, wurde auf seine Gefährlichkeit
eingeschätzt und wohl nicht für schwer genug befunden.
    „Mich erschreckt nur der Tod
Goliaths darin!“ Alle Köpfe wandten sich Ferdinando Gonzaga zu. Der lächelte
wie ein Junge, der bei etwas Verbotenem ertappt worden war und erklären musste,
warum er es getan hat. „Schließlich verarbeitet der Künstler hier etwas wie
seine Angst vor dem Sterben, oder zumindest gibt er bekannt, dass er – wie
David einst Goliath gegenüberstand – sich einem Gegner gegenübersieht, der ihn
vernichtet.“
    „Euch fehlt nur eine Einsicht:
David tötete Goliath mithilfe des Herrn. Seine Sendung beruhte auf einem
göttlichen Auftrag, sein Erfolg gehörte zum Heilsplan der Juden. Ich sehe in
diesem Geschmier nicht einen göttlichen Funken. Es ist – wie alle Bilder
Caravaggios – entblößt vom Gedanken an Gott, wie Davids Schulter

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