Das Vermaechtnis des Caravaggio
entblößt ist.“
Dafür prangert es sehr deutlich die
homophile Neigung Eures Proteges an, wie sonst ist zu verstehen, dachte
Scipione Borghese, dass der jugendliche David mit seiner nackten Brust und dem
Gesicht Del Montes im Mittelpunkt des Bildes steht? Sieg! Sieg! Sieg des
mächtigen Kardinals gegenüber einem Künstler wollte das Gemälde verkünden. Sieg
der lasziven Körperlichkeit gegen die von Michele angemahnte Genauigkeit der
Darstellung einer Wirklichkeit, die nicht im Blick der Bürger stand.
„Das Bild“, fuhr Scipione Borghese
fort, sich selbst aus seinem Nachdenken reißend, „ist eine versöhnliche Geste.
Er bietet es als Gegenleistung für ...“
Hier unterbrach ihn Ferdinando
Gonzaga, der geschickt den Ball aufnahm: „... seinen Dispens, den er sehnlichst
erwartet. Bedenkt, Heiliger Vater, wenn Ihr nicht wollt, dass Caravaggio die
Provinz langsam mit seinen …“ Hier machte der junge Kardinal eine künstliche
Pause, räusperte sich und fuhr dann mit einem eher zu leisen Ton fort: „…mit
solchen Bildern überschwemmt, die gegen Eure Reformmaßnahmen gerichtet sind und
die Mitglieder der Kurie bloßstellen, dann müsst Ihr ihn unter eure Fittiche
nehmen. Genügen nicht die Gemälde in Syrakus, in Messina, in Palermo und
natürlich in Neapel, um ein Unbehagen gegenüber seiner Verbannung auszulösen?
Nehmt ihn mit offenen Armen auf. Ihr werdet es nicht bereuen!“
„Niemals! Nachdem er sich meinen
Wünschen derart widersetzt!“
Scipione Borghese glaubte, dass
Kardinal Gonzaga sich deshalb in die Tracht seines Amtes hüllte wie in eine
Regenpellerine, um sich bewusst der Lächerlichkeit preiszugeben, um so die
Wahrheit sagen zu können. Hatte nicht selbst der weise Erasmus von Rotterdam
geschrieben, jeder solle seine Rolle in der Weltkomödie spielen?
„So erwartet Ihr also, Heiliger
Vater, Caravaggio werde weiter in der Diaspora seine Heiligenbilder malen, die
kaum Heiligenbildern gleichen? Ihr seht doch, dass er Kardinal Del Monte ...“,
er deutete auf den Kardinal, der wie versteinert im Sessel saß, sichtlich
angegriffen und blass, „... der Lächerlichkeit preisgegeben hat.“
Jetzt versuchte Scipione Borghese
einzugreifen, um den Schaden zu begrenzen. In seiner unverblümten Art ging der
junge Gonzaga zu weit, aber ein energisches Vortreten des jungen Kardinals ließ
ihn verstummen. Von einem Moment zum anderen schien er zu wachsen.
„Solange das Bild nicht öffentlich
wird, bleibt es stumm. Aber lasst in Pisa oder Genua, in Mantua oder Venedig
ein Gemälde auftauchen, einen Heiligen mit Eurem Antlitz, Eure Heiligkeit ...“
Den Satz brauchte Ferdinando
Gonzaga nicht mehr zu beenden. Obwohl er sich bislang hatte beherrschen können,
polterte Del Monte plötzlich los. Mit einem Ruck stand er auf, sodass der
Sessel übers Parkett rutschte und die Beine des Möbels den Arbeitsraum mit
ihrem hässlichen Quietschen füllten.
„Gebt ihm den Dispens, holt ihn
nach Rom – und verschafft ihm Arbeit, sodass er nicht mehr auf die Straße kann,
ohne sich strafbar zu machen.“ Beinahe unhörbar für die anderen, aber dennoch
so laut, dass Scipione Borghese mitbekam, was er sagte, murmelte Kardinal Del
Monte: „Er ist zu weit gegangen!“
Während Kardinal Gonzagas
Ausführung hatte Scipione Borghese beobachten können, wie sein Oheim zunehmend
an Farbe verlor. Der Gedanke, sich die mühsam errungenen diplomatischen Erfolge
dadurch zu verscherzen, dass sein Porträt in einer der Kirchen in Venedig,
Bologna oder sonst wo in einen lächerlichen Zusammenhang gestellt wurde, war
ihm unerträglich. Sein Oheim und Kardinal Del Monte tauschten einige Blicke.
Aufmunternd nickte der Kardinal ihm zu.
Tonlos hauchte Paul V.: „Der
Dispens sei gewährt!“ Er zog aus dem Ärmel seines Amtsrockes ein Blatt Papier,
kritzelte etwas darauf und überreichte es seinem Geheimsekretär. „Veranlasst
das Nötigste. Unter einer Bedingung. Die Urkunde für seine Rückkehr wird ihm in
Palo ausgehändigt!“
9.
„Das päpstliche Siegel, Enrico,
Nerina, ein Brief mit päpstlichem Siegel! Endlich! Rom – ich rieche dich
förmlich!“
Michele schrie die Sätze die Treppe
hinauf, sodass Nerina aus ihrem leichten Schlummer im Arm Enricos erwachte. An
den Zimmertüren, die entlang des Ganges lagen, an dessen Ende sich Micheles
Atelier befand, klopfte es wild. Sie blickte auf die lindgrünen Papiertapeten
des Raumes, die ihr inniges Gefühl verstärkten, in den richtigen Armen zu
liegen.
„Glaubst
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